Dirk Lehmann fällt auf. Einmal durch seine Körpergröße von 1,92 Meter, aber auch und vor allem durch sein Engagement. Denn der Träger des Deutschen Umweltpreises 2022 gibt sich nicht zufrieden mit dem was ist, er will etwas verändern und blickt in die Zukunft.
Flüssigerdgas (LNG), E-Antrieb, Flugschule, Energiesparsysteme für Seeschiffe oder maritime Batteriesysteme – die Liste der Unternehmen, an denen er beteiligt ist, ist lang. Und sie alle haben eines gemeinsam: Mit neuen Techniken zeigt Lehmann, was heute schon möglich, aber noch lange nicht etabliert ist. „Geht nicht, gibt es bei mir nicht. Ich versuche es zumindest“, sagt der 58-Jährige Ingenieur.
Besonders die Schifffahrt hat es ihm angetan. Der „Hamburger Jung“ ist im Stadtteil Wilhelmsburg aufgewachsen, unweit vom Hamburger Hafen. „Mein Vater war gelernter Schiffbauer und dann Berufsfeuerwehrmann in Hamburg. Wir waren als Kinder sehr viel im Hafen und das hat meine Abenteuerlust geprägt“, erzählt Lehmann. Nach seinem Abitur 1982 ging es für ihn dann auch beruflich in diese Richtung. An der Universität der Bundeswehr Hamburg studierte er erfolgreich Schiffsmaschinenbau. 1992 verließ er die Bundeswehr mit dem Rang des Hauptmannes und stieg in die Schifffahrtsbranche ein. Er war zunächst im Bereich Kühlschiffstechnik tätig, bis er Anfang der Nullerjahre beim Ingenieurbüro Willi Becker einstieg. Lehmann machte das Unternehmen fit für die Zukunft. Aus Willi Becker wurde Becker Marine Systems, ein deutscher Hersteller von Schiffs- und Marinetechnik mit Sitz in Hamburg. Lehman ist zusammen mit seinem Partner Kuhlmann noch heute der Geschäftsführer. Zudem ist er in diversen Organisationen vertreten, darunter als Vize-Vorsitzender im europäischen Schiffbau- und Schiffszuliefererverband SeaEurope.
In der Branche kennt man sich und so machten Lehmann und der Berater für Reeder, Werften und Schiffbau-Zulieferer, Friedrich Mewis, damals Bekanntschaft. Als Tüftler im Schiffbau war Mewis zu der Zeit bereits bekannt in der Szene. Die beiden verband eine Idee: Die Energieeffizienz von großen, langsamen Containerschiffen zu steigern. „Eigentlich waren alle technischen Tricks schon erfunden“, erzählt Mewis. Irgendwann kam ihm aber doch die zündende Idee: die Kombination aus verschiedenen bereits bekannten Komponenten – der Becker Mewis Duct, eine hydrodynamische, energiesparende Vordüse, die sich vor der Schiffsschraube befindet.
Lehmann war überzeugt von der Erfindung seines Freundes und brachte sein unternehmerisches Geschick ein, um die Idee marktreif zu machen. Ein Erfolgsmodell, denn der Becker Mewis Duct ist inzwischen weltweit in 1400 Schiffen eingebaut, 300 Exemplare stehen vor einer Installation. Seit der Markteinführung im Jahr 2008 hat der Becker Mewis Duct nicht nur Millionen Tonnen Schweröl eingespart, sondern auch rund zwölf Millionen Tonnen klimaschädliches Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2).
Lehmann ist einer, der anpackt und sich über die ärgert, die es nicht tun. Nicht nur im Schiffsbau, sondern auch beim Erntefest in seinem Heimatort: Dort führte er mit seinem alten Trecker den Umzug durch das Dorf an. Anschließend beschwerten sich die Landfrauen über den Dieselqualm, den sie einatmen mussten. Lehmanns Lösung: „Ich habe den historischen Trecker mit einem E-Motor umrüsten lassen. Doch dafür habe ich erst keine Zulassung erhalten, weil die Winsener Zulassungsbehörden kein entsprechendes Formular hatten“, erzählt er und schüttelt den Kopf. Mittlerweile fährt der E-Traktor offiziell zugelassen als „Fahrzeug mit Verbrennungsmotor mit E-Antrieb.“
Lehmann würde gerne so vieles anders machen, besser machen und zwar schnell, doch er stößt immer wieder auf Widerstände seitens der Behörden. Er ist überzeugt: „Wenn es nicht so viele behördliche Hürden gäbe, dann wären wir schon viel weiter mit unseren Klimazielen.“ Auch wenn er schon das eine oder andere Mal frustriert war, aufgeben ist keine Option für ihn. Er beweist lieber, das es geht. „Meine Erfahrung ist, in Deutschland gibt es einige Bedenkenträger, die vieles zerreden, anstatt zu machen“, sagt er. Für einen wie ihn ist das völlig unverständlich. Gibt es eine Idee, die ihm gefällt, dann ist er dabei, vor allem, wenn es um saubere Energie geht. Denn sie ist seine Leidenschaft. Ob Porsche, Trabis, Leichenwagen oder Rasenmäher – mit seinem Start-up E-Cap rüstet er Fahrzeuge mit E-Motoren aus. Seine Eigenkreation: ein elektrisch angetriebener DeLorean, das Auto aus dem Film „Zurück in die Zukunft“. Im Film ist der Wagen eine Zeitmaschine.
Selbst Energie tanken und mal abschalten, das kann Lehmann am besten bei seiner Familie – den drei Kindern, seinem Enkelsohn und seiner Frau, der er auch mal beim Ausmisten ihrer Pferdeställe hilft. Oder auch bei Holzarbeiten mit seinen drei Brüdern im eigenen Wäldchen. Auch da ist er ganz der Anpacker – mit E-Motorsäge, versteht sich.
Text und Titelbild: Kathrin Pohlmann