Expertinnen und Experten haben einen Maßnahmenplan für ambitionierten Klimaschutz vorgelegt. Mit dabei: Die Umweltpreis-Ausgezeichneten Prof. Dr. Antje Boetius und Prof. Dr. Ottmar Edenhofer.
Das 1,5-Grad-Ziel ist breit akzeptiert. Das zeigen die Ergebnisse der Klimakonferenz in Glasgow. Im Vordergrund steht nun die Umsetzung dieses Ziels. 21 Personen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Fachinstitutionen haben unter dem Titel „Klimaschutz beschleunigen: marktwirtschaftlich, sozial, global“ jetzt einen Maßnahmenplan vorgelegt, der aufzeigt, wie ambitionierter Klimaschutz gelingen kann.
Mit dabei sind die Trägerin des Deutschen Umweltpreises 2018, Prof. Dr. Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, und Umweltpreisträger 2020, Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, ebenso wie DBU-Generalsekretär Alexander Bonde und viele Partner der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Das Papier, das 17 konkrete Maßnahmen beinhaltet, wurde den Politikerinnen und Politikern übergeben, die an den Verhandlungen für die neue Regierungsbildung beteiligt sind. Hier folgen einige Kernaussagen des Papiers:
Chancen für eine neue Klimastrategie
Durch die ambitionierten Klimaschutzinitiativen verschiedener Akteure in Glasgow und die Anstrengungen der EU im Rahmen des European Green Deals sowie das „Fit for 55“ Programm, entstehen Chancen und Notwendigkeiten, die Klimastrategie neu auszurichten. Diese Neuausrichtung verknüpft ambitionierte Ziele, marktwirtschaftliche Konzepte, politische Gestaltungskraft und internationale Orientierung.
Für die Autorinnen und Autoren des Memorandums, ist es Zeit für ein neues ordnungspolitisches Paradigma: Das europäische und internationale Handlungsfeld muss verstärkt in den Blick genommen werden. Eine marktwirtschaftliche Ordnungspolitik muss die Marktdynamiken für ökologische Innovationen und Investitionen mobilisieren. Auch in diesem Konzept kommt dem Staat eine gestaltende, regulative und investive Rolle zu. Staatliche Politik sollte allerdings Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern keine engmaschigen Vorgaben machen. Vielmehr sollte sie einen auf Klimaneutralität ausgerichteten Ordnungsrahmen setzen, der Unternehmergeist, Eigeninitiative, Wettbewerb um die besten Lösungen und sozialen Zusammenhalt fördert.
Klimapolitische Weichenstellungen
Wir stehen vor entscheidenden klimapolitischen Weichenstellungen. Die Autorinnen und Autoren sind überzeugt, dass ökologische, ökonomische und soziale Transformation zusammengehören. Die ökologische Transformation der Industriegesellschaft muss unter Bedingungen eines dynamischen, ökonomischen, technologischen, institutionellen und internationalen Wandels gelingen, der die Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Jeder Versuch einer detaillierten Zehn-Jahres-Planung ist zum Scheitern verurteilt. Vielmehr sollte ein gestaltender Staat verlässliche, langfristig angelegte Rahmenbedingungen für Menschen und Unternehmen schaffen, die Flexibilität, iterative Lernprozesse und Innovation ermöglichen.
Die Autorinnen und Autoren des Papiers sind der Überzeugung, dass die Klimapolitik gerade in Zeiten des Systemwettbewerbs neue Möglichkeiten der Kooperation eröffnet, vor allem zwischen den USA, China und Europa. Alle drei Regionen werden von den Folgen des Klimawandels massiv betroffen sein. Der koordinierte Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas in einem „Klimaclub der Willigen“ senkt die Kosten der Transformation und schafft Anreize für andere Länder, diesem Club der Ambitionierten beizutreten. Darüber hinaus gilt es, klimapolitische Brücken zu der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung zu bauen. Ohne deren Beteiligung, kann weder globale Klimaneutralität noch internationale Stabilität erreicht werden.
Fortschritte müssen hart erarbeitet werden
In einer Vielzahl von Bereichen müssen Fortschritte hart erarbeitet werden: Es braucht eine Vervielfachung des Tempos beim Ausbau der erneuerbaren Energien, die massive Steigerung der Energieeffizienz, umfangreiche Innovationen bei sauberer Energie, Elektrifizierung, Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen. Außerdem müssen Mobilitätssysteme reformiert und Stadtentwicklung neu gedacht werden. Es gilt, die Digitalisierung und den Ausbau der Stromnetze und Strominfrastruktur voranzubringen. Parallel muss die Entwicklung von Techniken für Negativemissionen sowie die Sicherstellung des Abtransports von CO2 in die Lagerstätten unter der Nordsee beschleunigt werden. Nicht zuletzt müssen Meere und andere transnationale Ökosysteme stabilisiert und eine Kreislaufwirtschaft verwirklicht werden.
Breiter Konsens für eine ambitionierte Klimapolitik
Es gibt einen breiten Konsens für eine ambitionierte Klimapolitik. Die Wirtschaft ist bereit, den Weg der Transformation zu beschreiten, die Jugend fordert die Sicherung ihrer Lebensgrundlagen. Die Verhandlungen in Glasgow zeigen, dass auch die internationale Gemeinschaft Schritte in Richtung Treibhausgasneutralität gehen will. Die Politik muss jetzt einen großen Wurf wagen. Der klimapolitische Ehrgeiz hat nur dann eine Chance, sein Versprechen einzulösen, wenn er die Kraft der Märkte nutzt und konsequent über nationale Grenzen hinausdenkt. Dazu bedarf es eines starken Staates, der verlässlich zu seinen klimapolitischen Zielen steht und sich mit Weitblick international engagiert. Es ist seine Aufgabe, durch sozialen Ausgleich sowie einem partizipativen Fokus auf die Gestaltung der Zukunft der Arbeit und der Lebensqualität die Gesellschaft zusammenzuführen. So könnte Klimapolitik ein Signal des Aufbruchs werden: Sie kann, wenn sie klug gemacht ist, Wohlstand sichern und die Freiheitsrechte künftiger Generationen wahren.
Das ausführliche Papier „Klimaschutz beschleunigen: marktwirtschaftlich, sozial, global“ steht unten zum Download bereit.
Die 17 Maßnahmen im Überblick:
Text: Markus Große Ophoff, Titelbild: © Canva