Neugierde, Leidenschaft und eine gute Portion Optimismus. Das sind Eigenschaften, die den Wissenschaftler Klaus Hasselmann sehr gut beschreiben. Und die brauchte er wohl auch auf seinem weiten Weg, dem Klimawandel Gehör zu verschaffen – lange bevor die Freitage der Zukunft gehörten. Nun ist der Umweltpreisträger mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet worden.
Klaus Hasselmann war schon immer wissbegierig, wollte schon als Kind verstehen, wie die Welt funktioniert. „Ich war eben neugierig und das ist wohl die Voraussetzung für jeden Wissenschaftler“, sagt er, und so wurde er Klimaforscher als dieser Bereich noch in seinen Kinderschuhen steckte. Als einer der ersten erforschte er das Erdklima als komplexes System und schuf auf diese Weise wertvolles Wissen über den globalen Ozean-Atmosphären-Kohlenstoffkreislauf, die Entstehung natürlicher Klimavariabilität; vor allem aber über den Einfluss menschlichen Handelns auf das Erdklima. Er war mittendrin im Erkenntnisgewinn, als der Wissenschaft vor etwa 50 Jahren zum ersten Mal klar wurde, dass die beobachteten Klimaveränderungen menschengemacht sind. Für seine Forschung erhielt Hasselmann bereits 1998 den Deutschen Umweltpreis der DBU – und jetzt, 23 Jahre später, schließlich den Physik-Nobelpreis.
Diese beiden Auszeichnungen wären Grund genug, um stolz zu sein. Bei all den Glückwünschen dieser Tage wirkt Hasselmann dennoch eher bescheiden. Er war damals einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort, sagt der heute 90-Jährige in der Pressekonferenz der Max-Planck-Gesellschaft zum Nobelpreis.
»Ich hatte einfach das Glück, an einem wichtigen Teil des Problems gearbeitet zu haben, als es von großer Bedeutung war. Deswegen bin ich bekannt geworden und deswegen sitze ich hier.«
Den Einstieg in die Klimaforschung fand der Geophysiker über seine Studien zur Wechselwirkung zwischen Luft und Meereswellen – ein naheliegendes Phänomen für den gebürtigen Hamburger. Es war seine Neugierde, die schon damals, wie er sagt, den Nährboden für seine Forschungserfolge lieferte. „Als ich meinen ersten Kristalldetektor gebaut hatte und von ferne Stimmen hörte, fühlte ich mich, wie der größte Entdecker. Es war ein tolles Gefühl. Das hatte ich alleine gemacht. Und so entwickelte sich schnell das Interesse für Physik“, erzählt er. Diese Neugierde brachte ihn dazu, seine anfänglichen Berechnungen zum Zusammenspiel von Ozean und Atmosphäre zu Hause fortzuführen, sie zu seinem Hobby zu machen. Von da ist es bis zur Klimaforschung nicht mehr weit gewesen. „Ich wollte das Prinzip der Klimaschwankungen verstehen“, sagt Hasselmann. Das sei auch der Grund gewesen, sich für die Gründung des Max-Planck-Instituts für Meteorologie einzusetzen. Das war 1974.
Nur vier Jahre später veröffentlichte er seine Arbeit „On the signal-to-noise problem in atmospheric response studies“, die eine wichtige Grundlage für die späteren Erkenntnisse zum menschengemachten Klimawandel liefern sollte. In dieser Arbeit entwickelte Hasselmann eine mathematische Methode, mit deren Hilfe sich der Effekt des menschengemachten CO2-Ausstoßes aus den natürlichen Wetter- und Klimaschwankungen extrahieren und somit getrennt davon betrachten ließ.
„Diese erste Arbeit war schwer zu lesen gewesen“, gibt Hasselmann zu. Wohl deshalb brauchte es einige Jahre, bis das darin beschriebene Verfahren wieder aufgegriffen wurde und die Erkenntnis, dass der Mensch den Klimawandel verursacht, in Wissenschaft und Gesellschaft Fuß fasste. Einen entscheidenden Beitrag lieferte dabei die von Hasselmann 1993 entwickelte Fingerabdruck-Methode. Auf seinen ersten Berechnungen von 1979 aufbauend konnte er damit einen genauen statistischen Nachweis des menschengemachten Klimawandels liefern: Er zeigte, dass die damals beobachtete Klimaerwärmung mit nur etwa fünfprozentiger Wahrscheinlichkeit auf natürliche Klimavariabilität zurückzuführen ist – also vor allem durch den anthropogenen CO2-Anstieg in der Atmosphäre zu verantworten ist.
Mit diesen statistischen Berechnungen und ihren klaren Zahlen verschaffte Hasselmann den Warnungen der Klimaforschung erste öffentliche und politische Akzeptanz und Aufmerksamkeit. Vor allem auch, weil er sich die Vermittlungsarbeit zwischen Klimaforschung und Gesellschaft zur Aufgabe machte. Bis heute hält er das für essenziell.
»Der Öffentlichkeit klarzumachen, dass wir ein wichtiges Problem haben, das eine langfristige Perspektive erfordert, um es zu lösen – ich denke, das ist die Herausforderung, die wir als Klimawissenschaftler haben.«
Die bahnbrechende gesellschaftliche und politische Bedeutung seiner Arbeit erkannte die DBU bereits 1998. Damals verlieh sie den Deutschen Umweltpreis an Hasselmanns Arbeitsgruppe vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, zu der auch Prof. Dr. Lennart Olof Bengtsson und Prof. Dr. Hartmut Graßl gehörten. Die Bundesstiftung lobte neben den fortschrittlichen Klimamodellen besonders auch die Öffentlichkeitsarbeit der Forscher. „Als überzeugende Persönlichkeiten haben sie durch ihre Arbeit einen maßgeblichen Einfluss auf die globalen Maßnahmen zum nachhaltigen Schutz des Klimas genommen“, so ihre damalige Begründung. Der Umweltpreis sei jedoch nicht nur für die Forscher persönlich, sondern vor allem für ihr Institut von großer Bedeutung gewesen, meint Hasselmann.
»Der DBU-Preis konnte unsere Arbeit im Institut finanziell sehr entlasten und es konnten neue Projekte damit finanziert werden.«
Dass Hasselmann in diesem Jahr nun auch den Physik-Nobelpreis erhält, zeigt nicht nur, dass die DBU mit dem damaligen Umweltpreis ein gutes Gespür für Zukunftsthemen besaß. Die Auszeichnung verdeutlicht auch, welche Reichweite Hasselmanns Forschungsleistungen weltweit hatten und immer noch haben. Neben Hasselmann hat die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften auch die beiden Klimaforscher Syukuro Manabe aus Japan und Giorgio Parisi aus Italien ausgezeichnet. Natürlich sei der Nobelpreis als eine der renommiertesten Wissenschaftsauszeichnungen der Welt für ihn selbst eine große Ehre: „Ich habe immer Wissenschaft aus Neugier gemacht und es machte mir immer große Freude. So fühle ich mich manchmal, wenn ich einen Preis entgegennehme, wie ein Kind, das belohnt wird, weil es eine komplizierte Legokonstruktion gebaut hat“, erzählt Hasselmann.
Noch wichtiger aber ist ihm die weltweite gesellschaftliche Wirkung des Nobelpreises. Denn so kurz vor der COP26, der UN-Klimakonferenz in Glasgow, hat ein Nobelpreis für drei Klimaforscher wichtige Signale gesendet: Er unterstreicht die besondere Bedeutung der Klimaforschung, deren Modelle zum Klimawandel bereits vor 50 Jahren eindeutig waren. Und er führt der weltweiten Öffentlichkeit erneut vor Augen, dass das Klimaproblem kein Zukunftsproblem ist, sondern jetzt und hier angegangen werden muss.
»Da der Nobelpreis international sehr bekannt ist, würde ich mich sehr freuen, wenn das Klimaproblem endlich von der Menschheit ernst genommen würde und die Politiker aber auch die Menschen endlich handeln.«
Damit der Klimawandel wirklich ernstgenommen wird, muss die Klimaforschung ihre komplexen Erkenntnisse gut vermitteln können. Auch hier ist Hasselmann bescheiden, lobt lieber die Menschen um sich herum, als sich selbst. Besonders schätzt er seine Mitarbeiter Mojib Latif und Hartmuth Graßl, die, wie er betont, all die Jahre intensive Arbeit geleistet haben, um die Öffentlichkeit aufzuklären. Auch für das Engagement von Fridays for Future ist er dankbar: „Erst die Jugend heute mit der Fridays for Future-Bewegung hat endlich etwas bewirkt. Mein Aufruf ist immer wieder: Es muss etwas geschehen. Wir haben die Werkzeuge für den Ausstieg aus der CO2 Wirtschaft“, betont er.
Seine Kolleginnen und Kollegen schätzen Hasselmann, weil er ein großes Talent hat, die richtigen Fragen zu stellen. Es sind die grundlegenden Fragen, die zu entscheidenden Erkenntnissen führen. Das Pariser Klimaabkommen wäre ohne Hasselmanns Arbeit vermutlich niemals zustande gekommen, so sein Nachfolger Prof. Dr. Jochem Marotzke am Max-Planck-Institut für Meteorologie. Denn entscheidend für Paris war die klare Aussage: „Der Mensch hat den Klimawandel verursacht.“ Diese Gewissheit war es erst, die das Bewusstsein für die Auswirkungen der globalen Erderwärmung wecken konnte.
Wie hält man es jahrzehntelang aus, mit solch lebenswichtigen Erkenntnissen nicht gehört zu werden? Wie schafft man es, nicht die Geduld zu verlieren? Talent und Neugier sind dafür wahrscheinlich eher zweitrangig. Viel wichtiger: Die Fähigkeit den Blick nach vorne zu richten. „Ich bin in meinem Leben immer Optimist gewesen und glaube an die Menschen“, sagt Hasselmann.
Text: Anne Lang, Titelbild: © Nobel Prize Outreach. Photo: Clément Morin