Friedrich Mewis hat gewissermaßen sein Sternzeichen zum Beruf gemacht – und blieb zeit seines Lebens nicht nur dem Meer verbunden, sondern hat auf den Spuren von Daniel Düsentrieb mit Erfindungen den Schiffbau auf ungeahnten Kurs gebracht. Dafür wird er nun zusammen mit Dirk Lehmann mit dem Deutschen Umweltpreis 2022 ausgezeichnet.
Als Daniel Düsentrieb vor genau 70 Jahren als anthropomorphes Comic-Huhn in Walt Disneys Entenhausen 1952 das Licht der Comic-Welt erblickte, war Friedrich Mewis aus der Lutherstadt Wittenberg zwar schon neun Jahre alt. Aber natürlich war damals noch nicht abzusehen, dass Mewis eines Tages wie der von Carl Barks erfundene Düsentrieb nicht nur Diplom-Ingenieur, sondern auch Erfinder werden würde…
Und schon gar nicht, dass der am 10. Februar und somit im Sternzeichen Wassermann geborene Mewis für einen „Daniel Düsentrieb-Moment“ im Schiffbau sorgen könnte. Doch mittlerweile hat der heute 79-Jährige rund ein Dutzend Patente in der Tasche. Darunter ist eines, für das ihn 2022 die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) am 30. Oktober in Magdeburg mit dem diesjährigen Deutschen Umweltpreis auszeichnet: der Becker Mewis Duct – eine hydrodynamisch energiesparende Vordüse, die bei Tankern, Massengutfrachtern bis hin zu Containerschiffen seit Markteinführung 2008 nicht nur den Verbrauch von Brennstoff und Energie erheblich reduziert, sondern dadurch vor allem auch den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid um rund zwölf Millionen Tonnen gesenkt hat. Und: für leisere Schiffe sorgt, weshalb die Lärmbelastung für Meerestiere wie Wale abnimmt.
Das Alter ist Friedrich Mewis nicht anzusehen, als er unbesockt in Turnschuhen, Jeans, Jackett und hellblauem Hemd im Hamburger Hafen herüberfedert. Die weiße Schiebermütze schützt an diesem Juli-Tag vor der sengenden Sonne. Hinter der fein umrandeten eckigen Brille schauen wache Augen. Die Lachfalten verraten, dass er für Humor zu haben ist. Und für Bewegung. Auch wenn gerade ein Knie zwickt, wie Mewis missmutig berichtet.
„Ich bin Sportler durch und durch“, erzählt er. „Der Radsport, überhaupt der Ausdauersport: Irgendwann kommt der Totpunkt. Den musst Du überwinden. Das ist wie im Job. Wenn Du plötzlich zweifelst und Dich fragst, ob das alles noch Sinn macht. Dann musst Du weitermachen.“ Erlebt hat Mewis solche Momente immer wieder und auch recht früh in seiner Laufbahn. Etwa, als der in der DDR Aufgewachsene in der elften Klasse eine sechswöchige Ausbildung auf dem Schulschiff „Wilhelm Pieck“ ergatterte. „Das war hart. Ich habe manchmal die Tage gezählt“, erinnert sich der 79-Jährige. Aber er hielt durch, hat gelernt, „Seemann zu sein“, wie er es beschreibt.
Viel später kam wieder so ein Moment, in dem Durchhalten gefragt war. Da hatte Mewis schon ein Schiffbau-Studium an der Uni Rostock und ein zusätzliches Fachingenieur-Studium für elektronische Datenverarbeitung hinter sich und war nach der Station an der Schiffbauversuchsanstalt (SVA) Potsdam an der renommierten Hamburgischen Schiffbauversuchsanstalt (HSVA). Als ob Mewis, der Diplom-Ingenieur im Schiffbau, sich irgendwie den Wahlspruch Daniel Düsentriebs zu eigen gemacht hätte – zumindest in den deutschsprachigen Comic-Ausgaben: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör.“
Der entscheidende Augenblick passiert vor 15 Jahren, genauer gesagt ab 2007. Tüftler Mewis ist da bereits in engem Kontakt mit dem jungen Unternehmer Dirk Lehmann, damals wie heute Chef des mittelständischen maritimen Unternehmens Becker Marine Systems mit Sitz in Hamburg. Lehmann, seinen kongenialen Partner, lobt Mewis auch heute noch in höchsten Tönen. „Er hat immer an mich und meine Erfindung geglaubt, hat die Entwicklung vorangetrieben, bis sie in die Praxis umgesetzt werden konnte.“
Bis es allerdings soweit war, musste Mewis wie ein Ausdauersportler manchen Totpunkt überwinden, auch die Bedenken, ob all die Grübelei Erfolg haben würde. Die Zusammenarbeit zwischen Mewis und Lehmann reicht ins Jahr 2001 zurück. Geht es anfangs um die Verbesserung von Rudern für sehr große Containerschiffe, dreht sich ab 2007 alles um die Frage, wie man die Effizienz bei langsamen Schiffen steigern kann. Fachleute sprechen auch von „völligen“ Schiffen. Später kommen Containerschiffe hinzu. Das Problem: „Eigentlich waren alle technischen Tricks schon erfunden“, so Mewis. Aber er hält durch. Tüftelt weiter. Und findet einen Kniff, den sich Daniel Düsentrieb nicht besser hätte ausdenken können. Mewis: „Ich habe verschiedene bereits bekannte Komponenten kombiniert.“ Der Becker Mewis Duct ist geboren – bis zu 60 Tonnen schwer, bis zu sieben Meter im Durchmesser und produziert in zwei Hälften, die am Schiff zusammengeschweißt werden. Platziert wird dieses „Energy Saving Device“ (auf Deutsch etwa: „Energie-Einspar-Mechanismus“) vor dem Schiffspropeller. Bislang weltweit in 1400 Schiffen, 300 Exemplare stehen vor der Installation.
„Der Deutsche Umweltpreis ist die Krönung meines 50-jährigen Arbeitslebens“, sagt Mewis, als wir durch den Hamburger Hafen schippern. Das vermutlich vollkommen anders verlaufen wäre, hätte Mewis als junger Mann in der SVA Potsdam einst nicht jenen Professor getroffen, den manche respektvoll „Schneller Brüter“ nannten – weil der so blitzgescheit und schnell denken konnte. Jedenfalls: „Er hat mich Mitte der 1980er-Jahre überhaupt erst in die Welt der Energy Saving Devices und der Verlust-Analysen bei Propellern eingeführt“, erinnert sich Mewis. Versteht sich ja von selbst, dass er zusammen mit dem Professor zwei Patente angemeldet hat. Mewis lupft ein wenig die Schiebermütze und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Text: Klaus Jongebloed, Titelbild: Kathrin Pohlmann/DBU