Bauen mit Zukunft: Klimaschutz durch Holz

Es wird dringend Zeit für eine Bauwende, meint die Unternehmerin und Trägerin des Deutschen Umweltpreises 2023, Dagmar Fritz-Kramer. Mit ihrem Unternehmen Bau-Fritz GmbH & Co. KG leistet sie dazu einen großen Beitrag. 

Der Gebäudesektor ist ein Sorgenkind hinsichtlich der Einhaltung der Klimaziele. 40 Prozent der Treibhausgase (THG) fallen in Deutschland laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung beim Bauen und Wohnen an. Diese erheblichen Mengen Kohlendioxid werden zum einen bei der Herstellung von Baumaterialien wie Beton oder Dämmstoffen sowie beim Bau und der Sanierung von Gebäuden freigesetzt. Knapp ein Drittel aller Treibhausgasemissionen eines Gebäudes entstehen so laut einer Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e. V.) bereits bei der Herstellung und Errichtung, also vor der eigentlichen Nutzung. Werden die Gebäude bewohnt, schlagen sich zusätzlich Heizen, Warmwasser und Strom in der THG-Bilanz nieder und führen zu den insgesamt hohen Emissionswerten im Gebäudesektor. Hinzu kommt, dass die Baubranche einen sehr hohen Ressourcenverbrauch hat.

Bauen muss nachhaltiger werden

Bauen muss also nachhaltiger werden, damit Deutschland die Pariser Klimaziele einhält und – wie im Klimaschutzgesetz beschlossen – bis 2045 klimaneutral ist. Angesichts der Tatsache, dass Wohnraum dringend benötigt wird und laut Bundesbauministerium bis 2024 400.000 neue Wohnungen entstehen sollen, steht der Gebäudebereich vor einer echten Herausforderung.

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Eine Bauwende aus Holz

Wie kann eine Bauwende gelingen, bei der Gebäude ressourcenschonend errichtet und energieeffizient genutzt und damit Umwelt- und Klimaschutz stärker berücksichtigt werden? Eine Antwort lautet: Bauen mit Holz! Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und während des Wachstums binden Bäume Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Wird Holz für den Bau verwendet, bleibt das Kohlendioxid dauerhaft gebunden. „Der Baustoff Holz ist eine Kohlenstoffsenke. Eine Fichte speichert in ihrem Leben zweieinhalb Tonnen Kohlendioxid“, erläutert die diesjährige Umweltpreisträgerin Dagmar Fritz-Kramer, Geschäftsführerin der Firma Baufritz in Erkheim. Jedes Baufritz-Holzhaus speichere im Schnitt 54,9 Tonnen Kohlendioxid – nach Abzug der Emissionen für Bau und Transport.

Vorreiter im Holzbau

Seit Anfang der 80er-Jahren ist das Familienunternehmen Baufritz aus dem Allgäu im Bereich nachhaltiges Bauen unterwegs und gilt in der gesamten Branche als Vorreiter beim ökologischen Holzbau, aber auch bezüglich der Kreislaufführung von Materialien und Energieeffizienz. Längst patentiert und vielfach bewährt ist beispielsweise die in den Baufritz-Häusern verwendete Dämmung aus Holzspänen, eigentlich einem Abfallprodukt aus der Produktion. Hubert Fritz, der Vater von Dagmar-Fritz-Kramer und ehemaliger Geschäftsführer, ist der Erfinder des einzigen europaweit zertifizierte cradle-to-cradle Dämmstoffs. Für die Häuser besteht eine Rücknahmeverpflichtung, sodass die Materialien im Kreislauf geführt werden können. Es wurden bereits Musterhäuser vollständig demontiert und nach kurzer „Auffrischung“ an neuen Orten wieder aufgestellt.  

Vorausschauend Denken und Handeln

Innovatives und weitsichtiges Denken liegt quasi in der DNA der Firma Baufritz. „Einfach mal was ausprobieren, auch wenn es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, dass es funktioniert“, ist ein Leitmotiv von Dagmar Fritz-Kramer. Eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung tüftelt bei Baufritz an der Optimierung und Weiterentwicklung der Produkte, oft unter Beteiligung von Hochschulen.

Eine formschöne Fassade aus Restholz. Foto: Magiera / DBU

Das Projekt „Klimakleb“ ist ein gutes Beispiel für das vorausschauende Handeln. Aktuell ist der Absatzmarkt für Bauholz stark auf Nadelholz ausgerichtet. Dagmar Fritz-Kramer und ihr Team haben erkannt, dass es zu einer großen Herausforderung für die Rohstoffproduktion führt, wenn in den nächsten Jahren weniger Nadelholz in den Wäldern produziert wird. Durch den Umbau der Wälder von Fichten-Monokulturen in klimaresiliente Laub-Nadelmischwälder und den Verlust von Fichtenwäldern durch Borkenkäferbefall ist absehbar, dass weniger Nadelholz als Bauholz zur Verfügung stehen wird. In dem Projekt Klimakleb wird gemeinsam mit der Cluster-Initiative Forst und Holz in Bayern gGmbH die Buche für den Einsatz als ergänzendes Baumaterial für den Holzrahmenbau entwickelt. Buchenholz ist zwar schwer und hart, aber es arbeitet auch nach der Trocknung weiter. Daher werden jetzt verschiedenen Klebstoffe ausprobiert, die einerseits dem Laubholz so viel Festigkeit verleihen, dass es als Bauholz eingesetzt werden kann. Andererseits müssen die Emissionen der Kleber den hohen Ansprüchen an die Raumluft Genüge tun.

Ressourcen schützen und nichts verschwenden

Die Ressource Holz zu schützen ist für Dagmar Fritz-Kramer ein wichtiges Anliegen. Seit 16 Jahren besitzt die Firma Baufritz einen eigenen Klimaschutzwald. Das ist ein firmeneigener Mischwald mit klimaresilienten Baumarten unterschiedlicher Altersklassen, der u. a. durch verschiedene Anpflanzaktionen entstanden ist und sich durch Strukturvielfalt und Totholzanteil auszeichnet. Und der Wald wächst immer weiter. So wird beispielsweise für jede neue Bauherr*in ein Baum gepflanzt.

„Zero Waste“ ist ein weiteres ehrgeiziges Ziel, dass sich die Unternehmerin auf die Fahne geschrieben hat. Bis 2025 soll bei der Produktion kein Abfall mehr anfallen. In der Vergangenheit experimentierten Student*innen verschiedener Hochschuleinrichtungen mit dem Abfallprodukt Holz. So entstanden Fassadenelemente oder Sitzmöbel. Nun werden dauerhafte Kooperationspartner*innen gesucht, die aus den Reststoffen sinnvolle Dinge fertigen.

„Hülle auf Hülle“ – Dagmar Fritz-Kramer demonstriert, wie unsanierte Häuser mit modularen Holzbauelementen eine zweite Haut bekommen und energetisch saniert werden. Foto: Jongebloed / DBU

Ohne zusätzliche Flächenversiegelung Wohnraum schaffen und bewahren

Wie können wir alte Häuser energetisch sanieren und die darin gebundene „graue Energie“ erhalten? Und wie können wir Wohnraum schaffen, ohne weitere Flächen zu versiegeln? Frühzeitig hat Dagmar Fritz-Kramer erkannt, dass Sanierung, der Umbau und die Aufstockung von Altbestand Zukunftsthemen sein werden. In einem gemeinsamen Forschungsvorhaben mit der Hochschule Biberach und dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg wurden modulare Holzbauelemente entwickelt sowie ein vorgefertigtes Versorgungsmodul mit der kompletten Haustechnik konzipiert.

Für die Sanierung von Bestandsgebäuden bietet Baufritz großflächige Außenwand-, Decken- und Dachelemente an, die im Werk hergestellt und als Fertigteil auf der Baustelle sozusagen als zweite Wand installiert werden. Mit dieser aus Holz gestalteten Schutzhülle und dem vorgefertigten Versorgungsmodul werden Häuser älteren Jahrgangs gedämmt und energetisch auf den aktuellen Stand gebracht werden. „Hülle auf Hülle“ lautet die anschauliche Kurzform des Konzepts.

Durch Gebäudeaufstockung könnten in Deutschland Tausende neue Wohnungen geschaffen werden – und das Potenzial wird immer größer, wie neue Studien verdeutlichen. Zudem wäre Nachverdichtung klimafreundlicher als neues Bauland zu erschließen. Viel Potenzial für neuen Wohnraum schlummert in nicht ausgebauten Dachgeschossen. Allein in Berlin könnten bis zu 8000 neue Wohnungen durch Aufstockungen entstehen. Baufritz entwickelte unter der Leitung von Dagmar Fritz-Kramer Konzepte für die Aufstockung im Holzfertigbau und hat bereits mehrere Projekte umgesetzt. U. a. eine Aufstockung in Berlin, bei der parallel der Altbau energetisch saniert wurde. Aber auch für die Nachverdichtung bietet Baufritz Lösungen und zeigt mit Anbauten und dem Füllen von Baulücken, wie umwelt- und klimaschonend formschönes Bauen in Holzbauweise gelingen kann.

Manchmal sind es aber auch rechtliche Hürden, die guten Ideen im Wege stehen. So ließ sich beispielsweise das Vorhaben, einzelne Baumodule bei zeitlich begrenztem Bedarf an mehr Wohnraum als Leasing zur Verfügung zu stellen, aus rechtlichen Gründen nicht realisieren.

Aufstockung eines 50er-Jahre-Gebäudes in Berlin (links), Nachverdichtung in München (Mitte) und ein vorgefertigtes Versorgungsmodul im Baufritz-Werk in Erkheim (rechts). Fotos: Baufritz

Wir brauchen den Geist des Wandels

Was muss also passieren, um die Bauwende voranzutreiben? „Wir müssen jetzt die einfachen Lösungen finden“, fordert Dagmar Fritz-Kramer. „Zum Beispiel wäre es eine Möglichkeit, dass Dachgeschosse standardmäßig ohne lange Genehmigungsverfahren aufgestockt werden können. Das schafft mehr Wohnraum ohne Flächenversiegelung. Oder dass Grundstücksflächen 20 Prozent mehr bebaut werden dürfen, um vorhandene Bauflächen effektiver zu nutzen. Wir brauchen den Geist des Wandels, damit wir etwas bewegen.“ Die Ideen werden Dagmar Fritz-Kramer auf jeden Fall nicht ausgehen. Und der lange Atem auch nicht.

Text und Titelfoto: Dr. Ute Magiera / DBU

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