Der Begriff des „Say on Climate“ bezeichnet eine Initiative von Vermögensverwaltern und institutionellen Investoren wie BlackRock und Vanguard, die eine stärkere Beteiligung der Aktionäre zu Fragen des Klimaschutzes fordern. Insbesondere fordern die Aktionäre eine Mitwirkung an der grundsätzlichen Klimaschutzstrategie der Gesellschaft. Erste Erfolge können unter dieser Flagge geführte aktivistische Kampagnen bereits vorweisen: Drei Mitglieder des Verwaltungsrats des Erdölkonzerns ExxonMobil wurden 2021 aufgrund fehlen-der Kompetenz in Klimaschutzfragen abgewählt. Auch in Deutschland fassen sog. Say on Climate-Beschlüsse langsam Fuß: Das börsennotierte bayerische Chemieunternehmen Alzchem Group AG befragte auf Initiative des Vorstands im Mai 2023 ihre Aktionäre zu einem „Klimafahrplan“ des Vorstands, welcher die Emissionsneutralität bis zum Jahre 2033 vorsieht. Dem folgte im April 2024 das Düsseldorfer Maschinenbauunternehmen GEA Group AG mit einem Votum über den „Klimaplan 2040“.
Wurde in diesen Fällen die Beteiligung der Aktionäre vom Vorstand initiiert, so stellt sich aus rechtlicher Sicht die Frage, ob Aktionäre sich nach dem geltenden Aktienrecht auch ohne vorausgegangene Initiative des Vorstands und ggf. sogar gegen dessen Willen an Klimafragen beteiligen können. Die rechtliche Ausgangslage erscheint ebenso eindeutig wie unzureichend: Aktionären deutscher Aktiengesellschaften scheint in Fragen des Klimaschutzes keine selbstständige rechtliche Beteiligungsmöglichkeit zu zustehen.
Das Dissertationsvorhaben nimmt die Entwicklung um die Say on Climate-Initiative zum Anlass, um die hiervon ausgehenden marktwirtschaftlichen Impulse, den regulatorischen Rahmen sowie die gesellschaftsrechtlichen Implikationen der Forderung nach stärkerer Aktionärsbeteiligung zu untersuchen. Zudem wird die defizitär erscheinende derzeitige rechtliche Situation des deutschen Aktienrechts umfassend dahingehend analysiert, ob eine rechtliche Möglichkeit der Aktionäre zur Beteiligung in Klimafragen besteht. In einem zweiten Schritt wird eine Lösung präsentiert, die eine rechtssichere Beteiligungsmöglichkeit der Aktionäre in Klimafragen de lege ferenda garantiert; der zu erarbeitende Vorschlag soll dem Mehrwert einer Aktionärsbeteiligung zur Realisierung verhelfen, gleichzeitig aber nur minimalinvasiv in die fein austarierte Machtbalance zwischen Vorstand und Aktionären eingreifen.
Die Arbeit vereinigt daher das Marktbedürfnis nach einer verstärkten Beteiligung der Aktionäre in Klimafragen des Unternehmens mit einer behutsamen Öffnung der rechtlichen Möglichkeiten des Aktiengesetzes in Klimafragen. Zwar erscheint ein solcher Spagat im Lichte des bisherigen Kompetenzgefüge des Aktienrechts schwierig. Gleichzeitig scheint eine solche Regulierung des Gesellschaftsrechts aber einen alternativen, gleichwohl vielversprechenden Ansatz für Klimaschutzbestrebungen durch Gesetzgebung zu ermöglichen.
Näheres hierzu bereits vorab nachzulesen bei Kühle, NZG 2023, 1583-1590.