Promotionsstipendium: Marie Heitfeld

Wie interindividuelle Unterschiede in der Gerechtigkeits-Sensitivität und die Salienz verschiedener Konzepte von sozialer Gerechtigkeit die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen beeinflussen. Politische Meinungsbildung aus psychologischer Perspektive.

Obwohl auf internationaler Ebene Vereinbarungen zum dringend notwendigen Klimaschutz getroffen wurden (allen voran das Pariser Abkommen von 2015), sind ausreichende politische Maßnahmen kaum vorhanden. So zeigt der Climate Transparency Report von 2021, dass die derzeit geplanten Emissionsminderungen der G20-Staaten zu einem globalen Temperaturanstieg von 2,4°C statt der international angestrebten 1,5°C führen würden. Neben Einflussfaktoren wie dem Druck mächtiger Interessensgruppen, vermeintlicher wirtschaftlicher Stabilität oder der Angst vor Veränderungen, wird die politische Entscheidungsfindung stark von den erwarteten Reaktionen der Bürger:innen beeinflusst. Daher ist es wichtig besser zu verstehen, unter welchen Umständen Bürger:innen bereit sind, politische Maßnahmen zu akzeptieren, die zur Eindämmung des Klimawandels notwendig sind.

Meta-Analysen haben gezeigt, dass die wahrgenommene Fairness einer politischen Maßnahme einer der wichtigsten Prädiktoren für deren Akzeptanz ist (Bergquist et al., 2022, Ejelöv & Nilsson, 2020). Allerdings ist die Forschung zur Akzeptanz von klimapolitischen Maßnahmen nicht gut mit den Erkenntnissen der politischen Psychologie verbunden. Diese hat mit der Gerechtigkeitssensitivität ein intraindividuell sehr stabiles Konstrukt identifiziert, das zu Unterschieden in der Gerechtigkeitswahrnehmung führt, jedoch noch nicht im Zusammenhang mit der Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen zur Rate gezogen wurde.

In der bisherigen Forschung zur Gerechtigkeitssensibilität wird zwischen einer Sensibilität für das Erleben von Ungerechtigkeiten gegenüber sich selbst (kurz „JS-Self“) und einer Sensibilität für die Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten gegenüber anderen („JS-Others“) unterschieden (Rothmund, et al., 2020). Eine hohe JS-Self-Dimension korreliert mit der Sorge, man sei schlechter gestellt als andere oder als man es verdienen würden. Im Hinblick auf ambitioniertere klimapolitische Maßnahmen, die sich auf das Leben der Bürger:innen auswirken, könnte diese Tendenz darin zum Ausdruck kommen, dass man nicht der:die „Lastenträger:in“ sein möchte, während andere Personen,  Unternehmen oder Länder sich (vermeintlich) weniger einschränken. Im Gegensatz dazu haben Menschen, die sich nicht relativ benachteiligt fühlen, mehr Kapazitäten, um Solidarität zu zeigen. Ein hoher JS-Others-Wert korreliert mit der Sorge um soziale Gerechtigkeit für andere Einzelpersonen oder Gruppen.

Aufbauend auf der bisherigen Forschung wird angenommen, dass das Konzept der Gerechtigkeitssensitivität auch dazu beitragen könnte, die psychologischen Prozesse zu erklären, die zu Unterschieden in der wahrgenommenen Fairness klimapolitischer Maßnahmen und deren Akzeptanz führen. In diesem Projekt soll die zentrale Forschungslücke geschlossen werden soll, ob und wie unterschiedliche Gerechtigkeitssensitivitäten Unterschiede in der wahrgenommenen Fairness und damit der Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen erklären.

Dazu wird zunächst offen exploriert, welche Gerechtigkeitskonzepte Menschen berücksichtigen, wenn sie abwägen, ob sie eine klimapolitische Maßnahme akzeptieren würden und ob die jeweils berücksichtigten Konzepte interindividuelle Unterschiede in der wahrgenommenen Fairness und Akzeptanz erklären. Auch intergenerationale und internationale Gerechtigkeit werden hier bedacht. Es wird außerdem analysiert, inwiefern sich die jeweils relevanten Gerechtigkeitskonzepte zwischen Menschen mit unterschiedlichen politischen Einstellungen; Moralvorstellungen; Bildungshintergrund und Alter unterscheiden.

Daran anknüpfend wird in den geplanten Studien untersucht, welche Dispositionen von Gerechtigkeitssensibilität zu welcher Art von klimapolitischer Maßnahme „passen“ und somit zu einer höheren wahrgenommenen Fairness und einer größeren Akzeptanz führen. Analog wird analysiert, welche Dispositionen der Gerechtigkeitssensibilität zu welcher Art von klimapolitischem Framing „passen“ und damit zu einer höheren wahrgenommenen Fairness und einer höheren Akzeptanz führen. In diesem Zusammenhang wird auch untersucht, wie sich soziale Identitäten im Zusammenspiel mit der Gerechtigkeitssensitivität auf die wahrgenommene Fairness und Akzeptanz verschiedener klimapolitischer Maßnahmen auswirken.

In praktischer Hinsicht möchte ich mit dem Vorhaben einen Beitrag zum Wissen darüber leisten, wie klimapolitische Maßnahmen so gestaltet und kommuniziert werden können, dass sie zu einer möglichst breiten Akzeptanz führen – insbesondere bei Bürger:innen mit einer zögerlichen oder ablehnenden Haltung. Auf theoretischer Ebene möchte ich zu einem besseren Verständnis der Umstände und psychologischen Mechanismen beitragen, die die Auswirkungen der individuellen Gerechtigkeitssensibilität beeinflussen.

AZ: 20023/007

Zeitraum

01.10.2023 - 30.06.2027

Institut

Bergische Universität Wuppertal
Lehrstuhl für Sozial- und Persönlichkeitspsychologie

Betreuer

Prof. Dr. Anna Baumert