Ohne die künstliche Entnahme von atmosphärischem Kohlenstoffdioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR) ist eine Stabilisierung der globalen Erderwärmung im Bereich der Pariser Klimaziele unerreichbar. Jedoch sind die Auswirkungen von großskaligem landbasiertem CDR im Erdsystem nur für einen Teil der vorgeschlagenen Ansätze und potentiellen Konsequenzen untersucht. Fehlende Evidenz auf Basis gekoppelter und dynamischer Modellsimulationen des Erdsystems trägt entscheidend zur unvollständigen Wissensgrundlage bei. So existieren keine modellbasierten Studien, die mögliche durch CDR hervorgerufene oder verstärkte Landnutzungskonflikte in dynamischer Abhängigkeit von Emissionspfad, CDR-Einsatz und -Potentialen, Klima und Landnutzungsdynamik untersuchen. Dabei bestimmen Rückkopplungen zwischen diesen Einflussgrößen beispielsweise die räumliche Verteilung der Konsequenzen von CDR wie dieAuswirkungen von Flächenkonversion auf Biodiversität. In meinem Promotionsprojekt entwickle ich darum ein Modell, das Erdsystem- und Landnutzungsdynamiken von CDR räumlich explizit, zeitlich dynamisch und in Abhängigkeit voneinander darstellt. Mit diesem gekoppelten Modellsystem untersuche ich das Potential für und die maßgeblichen Einflussgrößen von Zielkonfliktenzwischen CDR und nachhaltiger Entwicklung im Sinne des SDG-Schemas der Vereinten Nationen. Mein Fokus liegt dabei auf der räumlichen CDR-Verteilung und Biodiversitätsverlust als zentralen Aspekte global gerechter und nachhaltiger Entwicklung.
Im Rahmen der ersten Projektphase quantifiziere ich die Auswirkungen von CDR-Prozessketten mittels “künstlicher Photosynthese” (artificial photosynthesis, AP-CDR) auf Klima, Biosphäre und Landnutzung inklusiver möglicher Pfadabhängigkeiten. Die Basis dieser Studie bildet die erste Modellkomponente, die Darstellung einer Klasse von AP-CDR-Ansätzen in einem Erdsystemmodell (ESM). Die dabei genutzte räumlich und zeitlich dynamische Repräsentation von CDR in einem umfassenden ESM ist neuartig. So simuliere ich neben der Auswirkungvon Landnutzungsdynamik auf das Erdsystem auch die Kopplung von CDR und benötiger Energiegewinnung an Energie- und Massebilanzen. Auf Grundlage von Simulationen mit dem ESM kann ich zeigen, dass Flächenkonversion die direkten Auswirkungen von AP-CDR auf Klima und Kohlenstoffkreislauf überwiegt, obwohl die angenommene Energiebereistellung durch Photo-voltaik regionale Veränderungen der Energiebilanz verursacht. Technologische Einflussfaktoren regionaler Flächenkonversion sind die Effizienz der AP-CDR-Prozesskette sowie die räumlicheVerteilung von großskaligem CDR zwischen Nationen und Regionen. In Zentraleuropa wäre beispielsweise eine Konversion von 2.4 bis 17.6% der Landfläche für AP-CDR notwendig, je nach Szenario und technologischer Effizienz. Diese Konversion entspricht einer Größenordnung von bis zu 40% der landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Europäischen Union. Somit zeigt sich in meiner Modellstudie das Potential für substantielle Landnutzungskonflikte selbst für AP-CDR-Ansätze, die im Vergleich signifikant flächeneffizienter als die meisten anderen CDR-Methoden wie zum Beispiel Biomasse-basierte Technologien sind. Zugleich wird die Möglichkeit deutlich, durch hohe Effizienzen und optimierte Landnutzung das Potential für Nutzungskonflikte und Biodiversitätsverlust zu reduzieren. Ambitionierte Dekarbonisierung ist jedoch in jedem Fall zentral zur Stabilisierung der Erderwärmung und Reduktion von CDR-Landnutzungskonflikten. Das zur Studie gehörende Manuskript ist zum Peer-Review eingereicht.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse meiner ersten Studie entwickle ich nun die zweite Modellkomponente, eine Darstellung von CDR-Landnutzungsdynamik. Hierbei baue ich insbesondere auf der Erkenntnis von Flächenkonversion als primärer Konsequenz der beispielhaften AP-CDR-Prozessketten auf. Ziel dieser Projektphase ist die Simulation dynamischer Landnutzungsentscheidungen für/gegen den regionalen Einsatz von AP-CDR, wobei die ESM-Simulationen als einseitig gekoppelte Treiber der Landnutzungsdynamik dienen. Relevante Einflussgrößen sind hier zum Beispiel CDR-Potentiale und CO2-Entnahmeraten. Die finale Phase meines Promotionsvorhabens wird sich dann darauf fokussieren ESM und Landnutzungsdynamik beidseitig zukoppeln und in Kombination zu evaluieren. Bei der Konzeption und Evaluation beschränke ich mich auf akzeptanzbestimmende Parameter und Biodiversitätsverlust als Folge von Landnutzungsänderungen. Dies reduziert die Komplexität der ohnehin umfassenden Modellimplementation. Zugleich bilden Akzeptanz und Flächenkonversion neben Konsten- und Energiebilanzen, sowie technologischer Skalierbarkeit maßgebliche Grenzen für die Umsetzung von CDR. Die angestrebten Erkenntnisse sollen konkrete Empfehlungen für vorausschauendes CDR-Managment sowie für die Modellierung der Effekte von landbasiertem CDR auf das Erdsystem ermöglichen.