Promotionsstipendium: Sophie Schwab

Das europäische CO2-Grenzausgleichssystem zwischen Standortpolitik und globaler Fairness

Die Europäische Union (EU) sieht sich als weltweite Vorreiterin im Klimaschutz. Dieser Rolle nachkommen will sie unter anderem mit dem Europäischen Emissionshandelssystem (abgekürzt „EU-EHS“), das einen wesentlichen Baustein der europäischen Emissionsreduktionsbemühungen darstellt. Durch das EU-EHS wird der Ausstoß von Treibhausgasen bepreist, indem Emissionshandelszertifikate ersteigert werden müssen. Bei steigenden Emissionspreisen befürchtet die EU, dass sogenanntes Carbon Leakage eintreten könnte. Dann könnte es zu Abwanderungen von Unternehmen in Länder mit geringerem oder ohne Emissionspreis kommen, oder europäische Unternehmen könnten vom Markt verdrängt werden. Durch ein CO2-Grenzausgleichssystem (auf Englisch: Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz „CBAM“) sollen zwischen europäischen und außereuropäischen Unternehmen, die im europäischen Binnenmarkt miteinander konkurrieren, hinsichtlich der Emissionsbepreisung gleiche Bedingungen geschaffen werden (sog. „Level Playing Field“).

Diesen Bestrebungen, Carbon Leakage durch das CBAM zu verhindern, könnten jedoch dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten (auf Englisch „Common But Differentiated Responsibilities and Respective Capabilities“, kurz „CBDR-RC-Prinzip“) entgegenstehen. Nach diesem Prinzip sind die sogenannten entwickelten Länder – als Vertragspartei damit auch die EU – im Kampf gegen den Klimawandel besonders verantwortlich, da sie in der Vergangenheit die meisten Treibhausgase ausgestoßen haben und über große Ressourcen verfügen, um den Klimawandel aufzuhalten.

Der europäische Gesetzgeber befindet sich in einem Zielkonflikt, wenn er hinsichtlich der Emissionsbepreisung inner- und außereuropäisch ein Level Playing Field schaffen und gleichzeitig das CBDR-RC-Prinzip wahren will. Einerseits wird in der EU befürchtet, dass die hohe Emissionsbepreisung durch das EU-EHS zu Carbon Leakage führen könnte. Aus dieser Perspektive würden idealerweise alle Handelspartner der EU dasselbe Ambitionsniveau beim Klimaschutz (und der Emissionsbepreisung) verfolgen, damit es nicht zu Carbon Leakage kommen kann. Aus der Perspektive des CBDR-RC-Prinzips könnte eine höhere Emissionsbepreisung in der EU hingegen gerade eine Verwirklichung des CBDR-RC-Prinzips darstellen. Angeglichene Wettbewerbsbedingungen hinsichtlich der Emissionsbepreisung könnten dem CBDR-RC-Prinzip hingegen entgegenstehen. Da die Verantwortlichkeit der Staaten differenziert wird, sind unterschiedlich hohe Emissionsbepreisungen gerade gewollt. Carbon Leakage in Drittländer mit einer weniger ehrgeizigen Emissionsbepreisung als die EU ist im Sinne des CBDR-RC-Prinzips hinzunehmen, sofern die Emissionsbepreisung in diesen Ländern ihrer „größtmöglichen Ambition“ entspricht.

Die Arbeit untersucht am Beispiel des CBAM, wie die EU sich in dem Spannungsfeld zwischen der Sorge vor Carbon Leakage und der Umsetzung des CBDR-RC-Prinzips rechtlich positioniert. Sowohl das Risiko von Carbon Leakage als auch die Anforderungen des CBDR-RC-Prinzips können nicht eindeutig konkretisiert bestimmt werden. In der rechtlichen Umsetzung muss der europäische Gesetzgeber jedoch Entscheidungen treffen. Mit der Einführung des CBAM können diese Fragen also nicht länger unbeantwortet bleiben. So kann nun anhand des CBAM untersucht werden, wie einerseits das Risiko von Carbon Leakage, andererseits das CBDR-RC-Prinzip rechtlich operationalisiert wurden.

AZ: 20022/055

Zeitraum

01.01.2023 - 31.12.2025

Institut

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht

Betreuer

Prof. Dr. Bernhard W. Wegener