Ziel der Promotionsarbeit ist es, das Gefährdungspotential der Akkumulationen von Spurenelementen an Reifenabrieb im Gewässer unter verschiedenen naturnahen Szenarien abzuschätzen.
Jährlich werden bis zu ca. 20.000 t Reifenabrieb in deutsche Gewässer eingetragen. Dieser Eintrag wird sich auch noch weiterhin erhöhen, da zum einen mehr Autos zugelassen werden und zum anderen E-Autos (aktuell) mehr Reifenabrieb produzieren. Mit ca. 30 % stellt Reifenabrieb die größte Einzelquelle von Mikroplastik dar.
Für Mikroplastik ist bekannt, dass es als „Trojanisches Pferd“ Spurenelemente aufnehmen und in Organismen wieder freisetzen kann. Selbiges scheint nach ersten Experimenten auch für den Reifenabrieb zuzutreffen. Dabei wurden Reifenabrieb-Proben zu Gewässerproben aus der Freiberger Mulde (hohe Schwermetallfrachten) zugegeben. Eine Akkumulation von prioritären Spurenelementen auf der Partikeloberfläche konnte nachgewiesen werden, die zu einer Verschlechterung der chemischen Gewässergüte mit Bezug zum Schwebstoff führen kann. Der Salzgehalt einer Gewässerprobe scheint sich ebenfalls auf die Adsorption auszuwirken. Den genauen Effekt konnten wir bislang noch nicht beschreiben, die Daten der entsprechenden Experimente müssen noch ausgewertet werden.
Auf Reifenabrieb-Partikeln kann sich Biofilm bilden bzw. Mikroorgansimen können Reifenabrieb im Biofilm inkorporieren. Dies zeigte eine kleine Untersuchung mit Reifenpartikeln in einer Gewässerprobe der Alten Elbe und entsprechender Nährstoffversorgung. Dabei war zu beobachten, dass die Kommunität der Mikroorganismen mit Reifenabrieb anders ist als ohne Reifenabrieb. Im Sommer 2024 wird eine groß angelegte Messkampagne gestartet, um den Einfluss vom Biofilm auf die Adsorption näher zu untersuchen.
Reifenabrieb wird über die Zeit und bei ausreichend niedriger Fließgeschwindigkeit sedimentieren. Dies führt dazu, dass er aus dem sauerstoffreichen Milieu des Fließgewässers in ein sauerstoffarmes Milieu übertritt. Dies ist mit einer Änderung des Redoxpotentials verbunden, die wiederum anderen Bindungseigenschaften hervorrufen kann. Dazu soll Reifenabrieb unter kontrollierten Bedingungen (z. B. zwischen zwei Filtern festgehalten) in unser Beispielgewässer (Freiberger Mulde) eingebracht und über längere Zeit exponiert werden. Bei der Probenahme im Anschluss muss darauf geachtet werden, dass sich das Redoxpotential nicht ändert und ggf. adsorbierte Spurenelemente wieder in Lösung gehen.
Ein wichtiger Punkt bleibt die gesamte Zeit, qualitativ hochwertiges und standardisiertes Probenmaterial zu generieren oder zu bekommen. Eine kommende Kooperation mit der HTW Dresden könnte uns da ein Stück weiterbringen. Außerdem wurden Fortschritte bei der Abtrennung von Reifenpartikeln aus Umweltproben gemacht. Bislang sind jedoch die Auswirkungen dieser Abtrennung auf das Adsorptionsverhalten ungeklärt. Experimente dafür sind bereits durchgeführt, jedoch noch nicht ausgewertet worden.
Basierend auf den Ergebnissen der naturnahen Fallbeispiele können praxisbezogen, Gefährdungs-abschätzungen des Reifenabriebeintrages im Flussgebietsmaßstab durch staatliche Behörden wie der Bundesanstalt für Gewässerkunde, der Flussgebietsgemeinschaften oder auch Internationalen Kommissionen zum Schutz großer Ströme simuliert werden. Im Austausch mit Stakeholdern der Reifenindustrie (z. B. ETRMA) können weiterführend Maßnahmen u. a. mit einer Kosten / Nutzenanalyse diskutiert werden, die zu einer Verringerung des Gefährdungspotenzials von eingetragenem Reifenabrieb führen. Gleiches gilt für optimierte Straßenreinigungsregime bzw. zusätzliche Rückhaltemaßnahmen in Gullys.