Warum ist es für Vertreter*innen der Klimabewegungen derart selbstverständlich, dass die Politik auf „die Wissenschaft“ hören kann und dieses auch tun sollte? Und was verstehen Aktivist*innen eigentlich unter „der Wissenschaft“? Diesen Fragen gehe ich im Rahmen meines Dissertationsvorhabens auf den Grund. Dabei nimmt meine Arbeit jene Perspektive ein, welche Wissenschaft nicht auf eine klar definierbare feste Einheit begrenzt, auf welche sich Akteure im politischen Diskurs lediglich beziehen können. Stattdessen werden Bezugnahmen auf „die Wissenschaft“, Faktizität und Expert*innenkonsense als Beiträge zur (Neu-)Aushandlung eines verallgemeinerten öffentlichkeitswirksamen Wissenschaftsverständnisses ausgelegt. Damit kombiniert mein Promotionsvorhaben Ansätze aus der Wissenschafts- und Technikforschung mit jenen aus der politischen Soziologie sowie Protest- und Bewegungsforschung. Doch wie sehen die Wissenschaftsverständnisse von Klimaaktivist*innen nun aus? Und inwieweit sind diese mit praktischen Zwängen in der Bewegungspraxis verwoben? Dies suche ich, mithilfe eines ethnografischen Forschungsdesigns und über abduktive Theoriebildung im Sinne der Grounded Theory Methodologie genauer zu bestimmen.
Erste Zwischenergebnisse meines bisherigen Forschungsprozesses lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Wissenschaftsverständnisse werden innerhalb der deutschen Klimabewegung in zwei unterschiedlichen Praxiszusammenhängen verhandelt. Zum einen finden sie sich im Rahmen von internen Auseinandersetzungen um die Rolle von Wissenschaft für die Bewegung. Zum anderen treten sie im Rahmen des Bezugs auf die Wissenschaftlichkeit der politischen Anliegen der Bewegung in öffentlichen Rechtfertigungssituationen auf. In beiden Fällen lassen sich die Verständnisse von Wissenschaft als alltagsweltlich vermittelt charakterisieren, da auch die allgemeine Frage danach was „die Wissenschaft“ eigentlich ist, für Aktivist*innen mit Handlungsdruck verbunden ist. Denn die Autorität wissenschaftlicher Erkenntnis – welche sowohl die Verlässlichkeit verheerender Zukunftsprognosen unterstreicht, als auch allgemein den klimapolitischen Forderungen einen faktischen Status verleiht – infrage zu stellen, wäre äußerst unklug. Die für das Wissenschaftsverständnis der Klimabewegung zentralen Teile der Bewegungspraxis lassen sich zusammenfassen als das Imaginieren von und das Intervenieren in politische Öffentlichkeiten. Wenn Klimaaktivist*innen sich fragen: Was ist eigentlich „die Wissenschaft“, dann geschieht diese Beschäftigung nicht ausschließlich – wie etwa bei einer soziologischen Wissenschaftsforscherin – mit dem Ziel der realistischen Repräsentation von wissenschaftlichen Praktiken und konkreter Forschungsarbeit. Zusätzlich zu dieser ersten Herausforderung müssen sich Klimaaktivist*innen immer fragen welche Wissenschaftsverständnisse politischen Öffentlichkeiten vermittelbar sind. Diese beispielhafte Gegenüberstellung von aktivistischen und wissenssoziologischen Wissenschaftsverständnissen verdeutlicht die Einbettung der Aushandlung und Übersetzung von Wissenschaftsverständnissen in aktivistischen Praktiken des Imaginierens von Öffentlichkeiten. Diese Zwischenergebnisse sollen mittels der noch ausstehenden Feldforschung weiter vertieft und in ihren Beziehungen zueinander ausgebaut werden.