Promotionsstipendium: Kamila Costa

Blitz- und Überspannungsschutz von ausgedehnten Freifeld-Photovoltaik-Großanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Agro-Photovoltaik

Kurzfassung

Photovoltaikanlagen etablieren sich weltweit zunehmend als Schlüsselquelle erneuerbarer Energie. Solarenergie ist nicht nur wirtschaftlich attraktiv, sondern erfährt auch breite Akzeptanz in der Bevölkerung, was ihr ein globales Expansionspotenzial für die kommenden Jahre sichert. Diese Expansion geht jedoch mit der Nutzung größerer Landflächen einher, was zu einer Konkurrenz mit landwirtschaftlichen Bedarfen führt. In diesem Kontext bieten Agri-Photovoltaik (Agri-PV)-Anlagen eine Lösung, indem sie Land sowohl für landwirtschaftliche Zwecke als auch zeitgleich für die Solarenergieerzeugung nutzen.

Trotz ihrer Vorteile sind PV-Freiflächenanlagen (PV-FFA) anfällig für direkte Blitzein­schläge und Überspannungen, was zu Störungen und Schäden führen kann. Diese Herausfor­derungen bedeuten höhere Wartungskosten und längere Amortisationszeiten. Da PV-Anlagen integraler Bestandteil des Stromversorgungssystems sind, ist es entscheidend, die Voraus­setzungen für einen stabilen Netzbetrieb und die Vermeidung von Versorgungsunter­brechungen zu gewährleisten.

Diese Forschung zielt daher darauf ab, einen Beitrag zur Verbesserung des Blitz- und Überspannungsschutzes von PV-Freiflächenanlagen zu leisten, insbesondere im Kontext der Agri-PV. Die Häufigkeit und Parameter von Blitzeinschlägen in PV-FFA werden untersucht. Die Entwicklung von Blitzentladungen über PV-Freiflächenanlagen wird analysiert. Die Aus­breitung von Blitzimpulsströmen und Blitzstoßspannungen in der Erdungsanlage wird bewertet. Auf Grundlage dieser Analysen werden Empfehlungen zur Optimierung des äußeren Blitzschutzes, insbesondere im Hinblick auf die Erdungsanlage, sowie zur Effizienz und Verwendung von Überspannungsschutzgeräten entwickelt. Darüber hinaus werden Vorschläge zur Optimierung des Erdungssystems zum Personenschutz, insbesondere bei Agri-PV-Anlagen, erarbeitet.

Stichworte – erneuerbare Energien, PV-Freiflächenanlagen, Agri-PV, Blitzschutz, Über­spannungsschutz, Erdungsanlage.

 

Schwerpunkte

Dieses Promotionsvorhaben befasst sich mit der Verbesserung des äußeren Blitzschutzes von großen PV-Freiflächenanlagen, insbesondere von großen Agri-PV-Anlagen, und umfasst zwei Schwerpunkte:

  1. Häufigkeit und Stromstärke von Blitzeinschlägen – Verbesserung des Einfangens der Blitze,
  2. Optimierung der Blitzschutzerdung hinsichtlich Blitzstromverteilung und Überspan­nungen.

 

Klassifizierung von PV-Anlagen

Als Einführung in das Thema erfolgt eine Klassifizierung von Photovoltaikanlagen, wobei die Auswahl der Kriterien im Kontext der Forschung berücksichtigt wird. Zunächst erfolgt eine Einordnung nach Anlagentypen: „Konventionelle“ Freifeld- oder Freiflächen-anlagen, Agri-Photovoltaik-Anlagen, Gebäudeintegrierte Photovoltaik (Flach- und Schrägdachanlagen, Fassadenanlagen), Schwimmende Anlagen, Mobile (oder tragbare) PV-Kraftwerke.

Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf Freifeldanlagen liegt, wird eine detaillierte Klassifizierung dieser Anlagen unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien durchgeführt: Größe (Grundfläche und installierte Leistung), Parallelbetrieb mit Stromnetz, Eigentumsverhältnissen, Wechselrichter-Konzept, Modultechnologie, Bauart (Tracking-Technologie, Anordnung, Gründung), Material der Aufständerung, geographischer Standort und Umweltauswirkungen.

Darüber hinaus erfolgt eine Klassifizierung in Bezug auf Blitze (Geographische-Lage, Anlagen-Größe, Blitzschutzmaßnahmen und -technologie, Versicherungsbedingungen, Historische Blitzdaten) sowie Besonderheiten der Agri-PV-Anlagen (Integrationstyp, Anordnung, landwirtschaftliche Nutzung, Technologie und Materialien, lokale Bedingungen und Umweltauswirkungen).

 

Auswertung von Blitzortungsdaten

Eine umfangreiche statistische Auswertung der Auswirkungen von 35 PV-Freiflächen­anlagen in Deutschland auf die lokale Blitzaktivität wurde anhand der Blitzortungsdaten des Blitz-Informationsdienstes von Siemens (BLIDS) durchgeführt. Für mindestens 5 Jahre vor und nach der Errichtung der Anlagen wurden die Blitzdaten hinsichtlich Anzahl und Polarität der Erdblitze und Amplituden der Blitzströme ausgewertet. Ziel war es, zu ermitteln, ob installierte PV-Anlagen die lokalen Blitzparameter beeinflussen und die Relevanz der Verwendung dieser Parameter zur Planung von Blitzschutzsystemen für große PV-Anlagen hervorzuheben. Die Ergebnisse wurden auf der 15. VDE-Blitzschutztagung am 12.10.2023 in Aschaffenburg mit einem Vortrag vorgestellt. Der Beitrag ist im Tagungsband mit den folgenden Schlussfolgerungen veröffentlicht:

  • Die Ergebnisse mit Berücksichtigung einer Referenzfläche zeigten eine Steigerung der Häufigkeit der negativen Blitze um 14 % und einen Rückgang der positiven Blitze um 33 %.
  • Ein Vergleich der Überschreitungswahrscheinlichkeits­kurven für die Einfang- zur Referenzfläche ergab geringe Steigerung der Blitzstromamplituden bei positiven und negativen Erdblitzen nach Errichtung der PV-Anlagen.
  • Obwohl die Ergebnisse nicht darauf hin­deuten, dass die Blitzschutzsysteme nach der Errichtung von PV-Anlagen überarbeitet werden müssen, kann die Errichtung einer großen PV-Freifeldanlage selbst das Schadenrisiko durch Blitzeinschläge leicht erhöhen, aufgrund einer leicht größeren Anzahl jährlicher Einschläge negativer Erdblitze.
  • Außerdem unterstreicht der Vergleich der verschiedenen dargestellten Kurven die Notwendigkeit, bei der Planung von Blitzschutzsystemen für PV-Kraftwerke lokale Parameter zu berücksichtigen.

 

Entwicklung von Blitzentladungen

Als Erweiterung der Auswertung von Blitzortungsdaten werden Simulationen für die Vorhersage negativer Blitze auf großen PV-Freiflächenanlagen und zum Vergleich auf flachen Böden entwickelt. Für die Modellierung sind eingehende Studien der Blitzphysik erforderlich, um die Entwicklung der Blitzentladung so einfach wie möglich zu beschreiben und gleichzeitig diese Prozesse so genau wie nötig zu modellieren. Das Ziel ist insbesondere auf die Analyse der Häufigkeit und des Verlaufs bei Blitzeinschlägen in PF-FFA mittels statistischer Aus­wertung durch maschinelles Lernen gerichtet. Daraus lassen sich wahrscheinliche Blitzein­schlagspunkte für unterschiedliche Konfigurationen von PV-Freiflächenanlagen sowie der Einfluss der PV-Module auf die Enddurchschlagstrecke (Parameter der „Anziehung“) von Blitzen abschätzen und anschließend Verbesserungsvorschläge für den äußeren Blitzschutz ableiten. Aus diesen Simulationen lassen sich vermutlich auch Besonderheiten bei großen PV-FFA ableiten, die für den Schutz der zukünftigen Versorgung mit sauberer Energie entscheidend sind:

  • Abschätzung der Enddurchschlagstrecke für negative Blitze auf PV-Anlagen und auf flachem Boden, verglichen mit bekannten Beziehungen in der Literatur.
  • Untersuchung, ob bei PV-Großanlagen Blitzentladungen mit mehreren Fußpunkten (mögliche Punkte für Blitzstromeinspeisung) und die Verschiebung des Blitzfuß­punktes durch Wind auftreten.
  • Die erhöhte lokale Erdblitzdichte bei großflächigen PV-Anlagen unter Berücksichtigung des Einflusses der Bauart (Material, Anordnung, Höhe, Ausdehnung) und des Bodenwiderstandes auch bei Agri-PV-Anlagen.

 

Optimierung der Blitzschutzerdung hinsichtlich Blitzstromverteilung​​​​​​​

Die nächste Forschungsphase beinhaltet Simulationen mithilfe elektromagnetischer Simulationssoftware für Energiesysteme, Erdung und Blitzschutzanalyse (XGSLab). Das Hauptziel diese Simulationen ist die Optimierung des äußeren Blitzschutzsystems, insbesondere der Erdungsanlage. Im Rahmen dieser Untersuchung werden folgende Aspekte berücksichtigt:

  • Von den Betreibern gemeldete Probleme bezüglich Blitzeinschlägen und resultierenden Überspannungen sowie möglicher Verbesserungsbedarf des äußeren Blitzschutzsystems, einschließlich der Installation von Fangeinrichtungen und der Vermaschung der Erdungsanlagen.
  • Verschiedene Konfigurationen von Photovoltaikanlagen, wie String- oder Zentral­wechselrichter, Anordnung von Modulen, Fundamenten (Ramm- oder Schraubfundament).
  • Elektrischer Bodenwiderstand in dem Gebiet, in dem die Photovoltaikanlagen installiert sind.
  • Ausbreitung, Verteilung und Auswirkung von negativen Blitzstoßströmen in großen PV-FFA, insbesondere hinsichtlich des großflächigen Erdungssystems und der elektrischen Kabelverbindungen.
  • Ausbreitung von Blitzüberspannungen in großen PV-FFA, unter Berücksichtigung der effektiven Fläche der Erdungsanlage und der Erdungsimpedanz.
  • Einsatzorte, erforderliche Parameter, Prinzipien oder Typen von Überspannungs­schutzgeräten.
  • Hauptunterschiede zwischen dem Blitzschutzsystem für Agri-PV- und „Konventionelle“ PV-FFA.
  • Auswertung von blitzbedingten Schritt- und Berührungsspannungen für den Personenschutz.

AZ: 20022/032

Zeitraum

01.01.2023 - 31.12.2025

Institut

Technische Universität Ilmenau
Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik
Fachgebiet Blitz- und Überspannungsschutz

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Betreuer

Prof. Dr. Michael Rock