Promotionsstipendium: Julian Bleh

Eine sozialpsychologische Untersuchung davon, was Visionen motivierend macht, wie sie wirken und welche Rolle sie bei der Förderung kollektiven Handelns für die sozial-ökologische Transformation spielen

„We are unstoppable, another world is possible“, der aus der Occupy-Wall-Street-Bewegung stammende Spruch ist gegenwärtig häufig auf Fridays-for-Future-Demonstrationen zu hören. Er steht symbolisch für die Schlüsselfunktion, die Visionen für gesellschaftlichen Wandel haben. Um breite Mehrheiten für strukturelle Veränderungen wie die große Transformation zur Nachhaltigkeit zu mobilisieren, braucht es eine Vorstellung davon, wo es hingehen soll. Bislang fehlt uns allerdings ein sozialpsychologisches Verständnis der Wirksamkeit und Wirkungsweise von Visionen als Treiber sozial-ökologischer Transformation. Mit diesem Vorhaben will ich deshalb beantworten, (1) inwieweit Nachhaltigkeitsvisionen zur Förderung transformationsrelevanten Handelns beitragen, (2) welche Merkmale eine Vision motivierend machen und (3) über welche sozialen Identitätsprozesse sie zu kollektivem Handeln führen. ). Zur Untersuchung dieser Fragestellungen dienen sieben Experimente, zwei Feldstudien mit Messwiederholungsdesign, eine großangelegte Längsschnittstudie und eine Neuauswertung bereits vorliegender Evaluationsdaten.

Nach dem zweiten Förderjahr lässt sich auf Basis meiner Ergebnisse schlussfolgern, dass Visionen ein großes Potenzial haben, um gesellschaftliche Mehrheiten für die sozial-ökologische Transformation zu mobilisieren.

Bezüglich der Wirksamkeit (FS1) von Visionen zeigen meine Studien, dass die erhöhte Vorstellbarkeit einer sozial und ökologisch gerechten Gesellschaft sowohl die Motivation für transformationsrelevantes kollektives Handeln als auch die Unterstützung umweltpolitischer Maßnahmen stärkt. Dieser Visionseffekt ist stärker als das (kritische) Reflektieren des gesellschaftlichen Status-Quos (FS_n1) und tritt unabhängig von der politischen Orientierung der Menschen auf.

Die motivierende Wirkung von Visionen scheint dabei auf zwei Prozessen (FS3) zu beruhen: Zum einen zeigt eine Vision, wie die Gesellschaft sein sollte. Es findet eine moralische Aktivierung statt: Menschen fühlen sich stärker verpflichtet, sich für die sozial-ökologische Transformation einzusetzen. Zum anderen realisieren die Menschen durch die erhöhte Vorstellbarkeit einer sozial und ökologisch gerechten Gesellschaft, dass diese wünschenswerte Veränderung erreichbar ist. Ihnen wird bewusst, dass sie gemeinsam zur sozial-ökologischen Transformation beitragen können.

In Bezug darauf, welche Merkmale (FS2) eine Vision motivierend machen, deutet sich an, dass die motivierende Wirkung einer sozial-ökologischen Vision davon abhängt, inwieweit die Menschen eine derartige Veränderung plausibel finden. Je schwieriger es den Menschen fällt, sich eine wünschenswerte sozial und ökologisch gerechte Gesellschaft vorzustellen, desto geringer die Motivation, sich dafür einzusetzen. Die qualitativen Erkenntnisse (FS_n2) aus meinen Studien illustrieren, dass diese Art der Möglichkeitswahrnehmung weniger von der Bewertung gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen abhängt, sondern von Kernüberzeugungen über Mensch und Gesellschaft; zum Beispiel “Der Mensch ist von Natur aus egoistisch”. In einer ersten experimentellen Interventionsstudie konnte ich zeigen, dass auch solche grundlegenden Überzeugungen veränderbar sind.

AZ: 20022/030

Zeitraum

01.03.2023 - 28.02.2026

Institut

Universität Leipzig
Institut für Psychologie
Professur für Sozialpsychologie

Betreuer

Prof. Dr. Immo Fritsche