PROBLEMSTELLUNG: Die konventionelle Landwirtschaft in Deutschland ist für nahezu die gesamte Belastung der Umwelt mit chemischen Pflanzenschutzmitteln verantwortlich. Mit ca. neun kg/ha/Jahr führt die Nutzung dieser PSM zu einem Verlust an Biodiversität, der Vernichtung von Lebensräumen und der Manifestation von Pestiziden in Nahrungsketten. Zusätzlich verursacht die Landwirtschaft 7,5% der deutschen Treibhausgas-Emissionen und ist damit ein Treiber des Klimawandels.
Die Rate des Biodiversitätsverlusts und der globalen Erwärmung haben bereits ein kritisches Limit überschritten. Dies führt zu extremen klimatischen Ereignissen wie langen und häufigeren Trockenperioden und starken Regenfällen und schwächt die deutschen Ökosysteme. In dieser angespannten Situation sind Pflanzenschädlinge auf dem Vormarsch.
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken ist eine Transformation und Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Systeme in Richtung einer bioökonomisch verträglichen, nachhaltigen Lebensmittelproduktion unumgänglich. Ein wesentlicher Bestandteil dessen sind Bestrebungen den ökologischen Landbau zu fördern. Doch gerade dieser Form des Anbaus mangelt es an Bekämpfungsmitteln gegenüber Pflanzenpathogenen. Dies führt zu einer Verwundbarkeit des gesamten Sektors. Darüber hinaus fehlt in vielen Fällen das Wissen über die genaue Wirkweise, von auf dem Markt erhältlichen Biokontrollmitteln. Geeignete biobasierte Produkte zur Behandlung von Pilzkrankheiten stellen somit einen dringenden Bedarf dar.
ZIELSETZUNG: Ziel des Projektes ist es, neue mikrobielle Stämme zu charakterisieren, die für eine Anwendung als antifungale Biokontrollmittel optimiert sind. Zwei wichtige Pilzkrankheiten in Deutschland sollen in diesem Zusammenhang adressiert werden: die Septoria-Blattdürre als die weltweit verbreitetste Krankheit bei Weizen und die Schwarzfleckenkrankheit bei Kartoffeln, welche besonders durch den Klimawandel profitiert.
Dabei werden detaillierte Kenntnisse über die metabolischen und genomischen Eigenschaften der neuen Stämme erzeugt. So wird bisher mangelndes Wissen generiert, welche metabolischen Fähigkeiten zur Funktionalität von Biokontrollmitteln beitragen. Zusätzlich werden Tests einbezogen um Lösungen mit günstigem ökologischen und toxikologischen Profil zu identifizieren. Die Perspektive der ressourcen-effektiven fermentativen Produktion dieser Biokontrollmittel nach Gesichtspunkten der Bioökonomie ist ein weiterer wesentlicher Aspekt dieses Projekts (Kreislaufwirtschaft: Valorisierung von Abfall- und Nebenströmen).
VORGEHENSWEISE: Die fungiziden Eigenschaften von bodenbewohnenden Bakterien als natürlichen Bestandteilen der Bodenökosysteme werden im Kontext der benannten Pilzkrankheiten erforscht. Dazu werden modernste Metabolomik- und Genomik-Technologien eingesetzt um die metabolischen Fähigkeiten der hier untersuchten Bakterien umfassend zu bestimmen. Dies wird in einem dreiphasigen Projekt umgesetzt:
1. Identifizierung und Charakterisierung von Bakterien, die ein vielversprechendes Naturstoffprofil aufweisen.
Geleitet durch antifungale Bioaktivitätsdaten wird das metabolische Profil jedes betrachteten Stammes bewertet. Dadurch kann sowohl die Produktion von pflanzenfördernden Substanzen als auch umweltgefährdenden Stoffwechselprodukten bestimmt werden.
2. Neue Naturstoffe mit antifungaler Aktivität werden isoliert und ihre Struktur aufgeklärt. Die identifizierten Stämme und Naturstoffe werden profiliert. Dazu wird die antifungale Potenz bestimmt und öko-, zell- und phytotoxikologische Tests zur Umweltverträglichkeit durchgeführt.
3. Die vielversprechendsten Bakterien und Naturstoffe werden in Pflanzen-Infektions-Experimenten getestet. Dazu werden in vivo-Assays etabliert. Sie ermöglichen die Effektivität der biobasierten Produkte bei der Krankheitskontrolle zu bestimmen.
ENDERGEBNIS: Das Projekt wird Wissen zu den metabolischen Fähigkeiten von Bakterien liefern und ökologisch nachhaltige Alternativen zu chemischen PSM aufzeigen.
ERSTE ERGEBNISSE: Im ersten Jahr wurde ein umfangreiches Stammset von Bakterien aus der Abteilung der Firmicutes getestet. Drei umfangreiche Datenpakete, bestehend aus Phylogenie/Genomik und Metabolik (s. Punkt 1.), wurden mittels eines noch nicht veröffentlichten R-Skripts zusammengefasst. Diese Methode ermöglicht eine halbautomatische und zügige Analyse großer Datensätze, ist nicht nur auf das vorliegende Datenset anwendbar, sondern auch für weitere Datensets in der Pipeline dieses Projekts konzipiert. Der Fokus liegt auf einer effizienten Bearbeitung, mit dem Hauptziel der gezielten Stammpriorisierung und Charakterisierung großer Datensätze.
Die Analyse der Firmicutes-Stämme offenbarte, dass Bacillus-Stämme eine signifikante Aktivität gegen mindestens zwei der drei getesteten pilzlichen Indikatorstämme aufwiesen. Infolgedessen wurde das Datenset entsprechend bereinigt, indem alle Stämme, die nicht phylogenetisch nachvollziehbar zur Gattung Bacillus gehören, sowie deren – durch PCR-Fingerprinting nachgewiesenen – Duplikate entfernt wurden. Die verbleibenden Bacillus-Stämme wurden erneut prozessiert. Dabei wurde deutlich, dass insbesondere Stämme aus der Klade der Bacillus subtilis eine ausgeprägte Aktivität gegenüber pilzlichen Indikatoren aufweisen. Dazu gehören Bacillus subtilis, B. amyloliquefaciens, B. velezenis, B. inaquosporum, B. spizizenii, B. atrophaeus, B. haoltolerans, B. licheniformis und B. paralicheniformis. Dies entspricht den in der Literatur beschriebenen Erkenntnissen.
Unter 24 Stämmen mit hoher antifungaler Aktivität und ohne genetische Duplikate wurden besonders solche priorisiert, die genomsequenziert waren und vorteilhafte Biosynthesegencluster aufwiesen. Dabei wurden vier Stämme besonders priorisiert. Die Biosynthesegencluster der vier prioritären Bacillus-Stämme weisen darauf hin, dass sie wahrscheinlich pflanzenwachstumsfördernde und/oder antifungal aktive Stoffe produzieren können, während das Potenzial für medizinisch anwendbare oder umwelttoxische Verbindungen gering ist. Die Stämme sind nun für die in vitro Profilierungen (s. Punkt 2) vorgesehen.