Substanzen mit hormoneller Wirkung (endokrine Disruptoren) können in der Umwelt in komplexen Mischungen vorliegen und bereits in geringsten Konzentrationen ein Risiko für den Organismus und auch ganze Ökosysteme darstellen. Somit ist die Bewertung von Umweltproben bzw. von Einzelsubstanzen vor der Zulassung hinsichtlich ihrer endokrinen Wirkung von zentraler (öko-)toxikologischer Bedeutung. Eine Möglichkeit für die Evaluierung sind zum Beispiel standardisierte, zell-basierte in vitro-Tests nach OECD TG 455/458, bei denen eine Bindung/Hemmung des Estrogen- bzw. Androgenrezeptors nach Zugabe der Probe detektiert werden kann. Diese in vitro-Testverfahren haben jedoch folgende Nachteile: 1) Die in vitro-generierten Ergebnisse zur endokrinen Wirkung lassen sich meist schwer auf die tatsächliche Wirkung in vivo übertragen, da diese stark von den gewählten Testbedingungen/-komponenten abhängen. Als Beispiel kann hier das Zellkultur-Medium aufgeführt werden, dem für das Wachstum der Zellen fötales Kälberserum (FKS) zugesetzt wird. Dabei ist das FKS sowohl aus wissenschaftlicher Sicht (hohe Variabilität in der Zusammensetzung, Interaktion mit Testsubstanzen, mikrobielle Kontaminationen) als auch aus ethischer Sicht zu vermeiden. 2) Diese in vitro Testverfahren werden mit Zell-Linien durchgeführt, welche die metabolischen Fähigkeiten eines gesamten Organismus nicht vollständig berücksichtigen. So kann es durch eine fehlende Darstellung des Metabolismus zu einer starken Über- oder Unterschätzung der endokrinen Wirkung einer Probe kommen. In dem hier vorgestellten Dissertationsvorhaben sollen die Methoden nach OECD TG 455/458 verbessert werden, indem zwei der OECD-relevanten Zell-Linien ER-alphaCALUX® und AR-CALUX® an eine Durchführung unter definierten Bedingungen und ohne Zusatz von tierischen Komponenten adaptiert werden. Nach der Adaptation sollen die Zell-Linien auf ihre Sensitivität gegenüber der jeweiligen Referenz-Substanzen überprüft werden, um die Eignung der adaptierten Zellen für eine OECD 455/458-konformeTestdurchführung zu prüfen. Weiterhin sollen die Methoden um ein humanes oder biotechnologisches Metabolisierungs-Produkt (S9-Mix) ergänzt werden, sodass die endokrine Wirkung der Probe nach Metabolisierung erfasst werden kann. Diese sollen in Kombination mit ausgewählten Modellsubstanzen und Umweltproben angewendet werden. Insgesamt sollen dann die Effekte ohne/mit Metabolisierung und ohne/mit adaptierten Zell-Linien verglichen werden, um die Änderungen am Testsystem und deren Auswirkungen auf die Risikoeinschätzung bewerten zu können.