Der historische Baubestand in den Städten muss innerhalb kurzer Zeit energetisch saniert werden, um den derzeitig hohen Energieverbrauch zu reduzieren und den notwendigen Beitrag des Gebäudesektors zur Einhaltung der Klimaschutzziele zu leisten. Der Energieverbrauch eines Quartiers findet sich in der Oberflächenenergiebilanz als Teil der anthropogenen Wärmeemission wieder. Die Abwärme aus den Gebäuden verursacht also gleichzeitig einen erhöhten Energieverbrauch und einen steigenden Wärmeeintrag in die städtische Atmosphäre, der zur städtischen Überwärmung beiträgt. Diese Arbeit nutzt daher den anthropogenen Wärmestrom als innovativen Schlüsselindikator für die Gestaltung des Übergangs zu den klimaverträglichen Stadtquartieren, da er sowohl die Energieeffizienz als auch die stadtklimatischen Auswirkungen beschreibt. Eine Reduktion von Wärmeemission ist also eine win-win Strategie für Klimaschutz und Klimaanpassung. Bisherige Untersuchungen zur Energieeffizienz im Gebäudebestand betrachten meist Einzelgebäude und ignorieren dabei die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Gebäuden im Wärme- und Strahlungshaushalt (etwa gegenseitige Beschattung). Da in Industrieländern drei von vier heute stehenden Gebäuden auch in 40 Jahren noch in Betrieb sein werden (IEA, 2010a), ist ein Großteil der Einsparpotenziale nur durch aktive Unterstützung von energetischen Sanierungsarbeiten zu realisieren (Schellnhuber et al. 2011). Entsprechend ist für den systematischen und grundlegenden Umbau von Städten unbedingt die Block- bis Quartiersskala zu betrachten. Das Quartier steht als Bindeglied zwischen gebäudeindividuellem Sanierungsfahrplan und nationalen oder kommunalen Strategien, als Ort, an dem sowohl erneuerbare Erzeugungsanlagen integriert als auch die dezentral erzeugte Energie gespeichert werden kann. Der Gebäudebestand und die Freiräume des Quartiers sind sehr heterogen. Deshalb braucht es Methoden, die es ermöglichen, komplexe heterogene stadtmorphologische Strukturen eindeutig und schnell zu erfassen. In der Stadtklimatologie hat sich zur vergleichenden Betrachtung von unterschiedlichen Stadtstrukturen und Morphologien das Konzept der Local Climate Zones (LCZ) durchgesetzt. Diese sind definiert als Regionen einheitlicher Oberflächenbedeckung, Struktur, Material und menschlicher Aktivität, mit einer horizontalen Ausdehnung von hunderten bis tausenden Metern (Stewart et al. 2012). Das Hauptziel dieses Promotionsprojekts besteht darin, die jeweils am besten geeigneten energetischen Lösungsstrategien für bestimmte LCZs und zugehörige typische Morphologien zu identifizieren.
Im Rahmen des ersten Arbeitspakets (AP) wurde eine objektive und skalierbare Klassifizierungsmethode entwickelt, die auf hochauflösenden 3D-Gebäudedaten basiert, um homogene Morphologien pro LCZ-Typ (HLCZ) zu identifizieren. Zur Einsparung von Zeit- und Rechenressourcen werden die HLCZs auf Quartierebene als repräsentative Morphologien vorgeschlagen.
Das zweite AP konzentriert sich auf die Modellierung des Energieverbrauchs und der Wärmeemissionen der LCZs. Dafür wird das Large Eddy Simulation Model (LES) PALM zum Einsatz kommen. Die LES-Modellen haben durch die gesteigerte Rechenleistung verbesserte Einblicke in die komplexen Dynamiken zwischen städtischem Mikroklima und dem Gebäudeenergiebilanz ermöglicht. Jedoch können Komplexitäten und Datenunsicherheiten in realen städtischen Umgebungen die Genauigkeit von LES beeinträchtigen. Daher ist das Verständnis der Modellsensitivität gegenüber Unsicherheiten bei den Eingabedaten entscheidend, um potenzielle Abweichungen zu bewerten und die Priorisierung von Parametern für die Datensammlung zu erleichtern. Eine Zwischenstudie aus dem zweiten AP untersucht die Sensitivität des PALM-4U Modells gegenüber Gebäudetypologien und -parametern in einem Wohnquartier in Bochum, Deutschland, und analysiert dabei die Abwägungen bei der Modellierungsgenauigkeit. Es wurden fünf unterschiedliche Szenarien betrachtet, die die TABULA-Archetypen aus dem IEE-Projekt „Typology Approach for Building Stock Energy Assessment“ integrieren. Die zugrunde liegende Hypothese legt nahe, dass eine Erhöhung der Detailtiefe bei den Gebäudeparametern den Realismus der Simulationen der städtischen Umgebung und die Genauigkeit der Ergebnisse potenziell steigern kann. Allerdings gehen solche Fortschritte mit einem erhöhten Rechenaufwand und umfangreicheren Datenanforderungen einher. Die Studie betont die Bedeutung einer ausgewogenen Berücksichtigung dieser Aspekte, um den für verschiedene Simulationsvorhaben vorteilhaftesten Detaillierungsgrad zu ermitteln.
Im Rahmen von AP 3 liegt der Fokus auf der Untersuchung von Energieeinsparungen und Effizienzpotenzialen durch die Evaluierung verschiedener Szenarien, die den Einsatz von gebäudeintegrierten Photovoltaiksystemen oder Geothermie im PALM-Modell beinhalten.
LITERATUR
Demuzere, M. et al. 2021: LCZ Generator: A Web Application to Create Local Climate Zone Maps. Frontiers in Environmental Science.
IEA – International Energy Agency. 2010a: Energy Technology Perspectives 2010. Scenarios & Strategies to2050. Paris: IEA.
Moreno, H. et al. 2022: On the identification of Homogeneous Urban Zones for the residential buildings’ energy evaluation. Building and Environment. Volume 207. Part B.
Schellnhuber, H. et al. 2011: Welt Im Wandel. Gesellschaftsvertrag Für Eine Große Transformation: Zusammenfassung Für Entscheidungsträger. ETH Zurich.
Stewart, D. et al. 2012: Local Climate Zones for Urban Temperature Studies. Bulletin of the American Meteorological Society 93 (12): 1879–1900.