Die Zunahme der Resistenz von Mikroorganismen gegen antimikrobielle Substanzen stellt eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar: direkt, durch mikrobiellen Infektionen, die durch Antibiotika nicht mehr behandelbar sind, und indirekt durch die Verringerung der Wirksamkeit von antimikrobiellen Bioziden bei der Desinfektion und im biologischen Materialschutz. Das Verständnis und die Bekämpfung von antimikrobieller Resistenz erfordern einen One-Health Ansatz, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt als miteinander verbundene Problemfelder betrachtet. Aufgrund der COVID-19-Pandemie steigt der Einsatz von Antibiotika und Bioziden. Dieser Umstand wird das Problem der Resistenz verschärfen, da eine erhöhte Exposition nicht nur das Risiko der Entstehung von Resistenz am Einsatzort erhöht, sondern auch zu einer verstärkten Kontamination der Umwelt führt und damit die Entwicklung und Verbreitung von resistenten Organismen in der Umwelt fördert.
Eine Hauptquelle für antimikrobielle Resistenzen in der Umwelt ist der urbane Wasserkreislauf, wobei Klärwerke einen Hotspot für die Entstehung und Verbreitung von Organismen mit antimikrobiellen Resistenzen gelten. Obwohl die Resistenz in einer antimikrobiell-freien Umgebung oft mit Fitnesskosten verbunden ist, haben resistente Bakterien nachweislich mit nicht-resistenten Stämmen in mikrobiellen Gemeinschaften über längere Zeit koexistiert. Die Theorie der ökologischen Koexistenz besagt, dass Bakterien dies erreichen können indem sie sich durch die Besiedlung neuer ökologischen Nischen dem direkten Wettbewerb entziehen. Jedoch wurde dies noch nie für resistente Bakterien in Abwasser untersucht. Resistenzmechanismen sind oft eng mit dem Stoffwechsel verwoben und können so eine neue Stoffwechselnische definieren (z. B. durch die Verwendung eines anderen Substrats). Zudem sind die meisten Abwässer dynamisch und Schwankungen von Ressourcen oder antimikrobiellen Substanzen können die Besiedlung temporärer Nischen ermöglichen.
Das Ziel des Projekts ist die Identifizierung ökologischer Nischen und Mechanismen, die es Bakterien mit Resistenzen gegen Antibiotika und Biozide ermöglichen, in Abwasser zu überleben. Die Ergebnisse sollen dann dazu verwendet werden, um Abwasserbehandlungsverfahren zu entwickeln, die die Freisetzung von antimikrobiell-resistenten Bakterien durch das Abwasser minimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, werde ich experimentelle und theoretische Methoden kombinieren, die in der ökologischen Koexistenztheorie eingebettet sind. Insgesamt wird das Projekt das Verständnis der Mechanismen von der Persistenz antimikrobiell-resistenter Bakterien fördern und wird damit unmittelbar zur Gestaltung von Eindämmungsstrategien beitragen.
62 E. coli Isolate, die Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika aufweisen, wurden für deren Empfindlichkeit gegen 3 Biozide (Didecyldimethylammoniumchlorid, 2-Methyl-4-isothiazolin-3-on und Chlorhexidine) charakterisiert. Die Isolate hatten nur eine geringe Resistenz gegen den Bioziden im Vergleich zu der Resistenz gegen den Antibiotika.
Außerdem, wurden auf der Grundlage der Genomsequenzen der 62 Isolate Genome Scale Metabolic Models (GEMs) konstruiert. Das Wachstum der Isolate wurde mithilfe der GEMs in Minimalmedium mit jeweils einer von 298 Kohlenstoffquellen simuliert. 40 Kohlenstoffquellen wurden identifiziert, die von nur einem Teil der Isolate verwendet werden können.
Die Wachstumsraten der Isolate wurden in der Gegenwart von Glukose, D-Malat und Saccharose als einzige Kohlenstoffquellen gemessen. Alle Isolate können Glukose verstoffwechseln aber nur ein Teil der Isolate kann mit D-Malat oder Saccharose wachsen. Die Vorhersage der GEMs für D-Malat war für 93% der Isolate korrekt.
10 Isolate wurden identifiziert, von denen 5 resistent gegen den Antibiotika Ciprofloxacin, Gentamycin und Tetracyclin sind und auf Saccharose aber nicht auf D-Malat wachsen können. Die andere 5 Isolate sind empfindlich gegen die gleichen Antibiotika und können auf D-Malat wachsen aber nicht auf Saccharose.
Konkurrenzversuche wurden mit Gemischen aus den 10 ausgewählten Isolaten im Minimalmedium mit einer der drei Kohlenstoffquellen durchgeführt. Die Anzahl der resistenten und sensitiven Bakterien wurde durch selektives Plattieren auf antibiotikahaltigen Agarplatten bestimmt. Mit D-Malat als Kohlenstoffquelle konnte gegen die resistenten Bakterien selektiert werden.
Ein mathematisches Modell wurde entwickelt, um Vorhersagen für die Konkurrenz von mehreren Bakterienstämmen zu treffen. Das Modell sagt voraus, dass die Zugabe von D-Malat in einem System, das nur Glukose als Kohlenstoffquelle enthält und in dem nur empfindliche Bakterien in der Lage sind, D-Malat zu nutzen, die Anzahl der resistenten Bakterien über mehrere Wachstumszyklen hinweg verringern würde.
Die Ergebnisse des Modells müssen in der nächsten Projektphase experimentell validiert werden. Zudem sollen die hier demonstrierten Konzepte unter komplexeren Bedingungen experimentell getestet werden.