Promotionsstipendium: Romy Zeiss

Prioritäten für den effektiven Schutz von Bodenbiodiversität und Bodenfunktionalität in Deutschland

Die biologische Vielfalt im Boden gewinnt zunehmend an Aufmerksamkeit und Bewusstsein, sodass das Europäische Parlament eine Bodenschutzstrategie verabschiedet hat, die den Rahmen für die internationale Gesetzgebung und Bewirtschaftung des Bodens liefern soll. Gründe für die Notwendigkeit des Bodenschutzes sind und werden bereits eingehend untersucht, da dieser artenreiche, unterirdische Lebensraum zu vielen Ökosystemfunktionen beiträgt, die wiederum in Beziehung zu Mensch und Klimawandel stehen. Offen bleibt jedoch die Frage wie insbesondere die biologische Vielfalt (Biodiversität) des Bodens geschützt werden kann. Naturschutzgebiete werden bisher vorwiegend mit dem Fokus der Erhaltung regionaler, oberirdischer Biodiversität eingerichtet. Ob solche Bemühungen des Naturschutzes auch einen Einfluss auf die Bodenbiodiversität und Bodenfunktion haben, ist aber noch unklar.
Im Promotionsprojekt wird der Frage nachgegangen, wie die Bodenbiodiversität konkret geschützt werden kann. In einem ersten Schritt werden dazu (1) Gebiete mit hoher Artenvielfalt und/oder Funktionsfähigkeit des Bodens (sogenannte Hotspots) bestimmt um anschließend (2) Vorrangflächen für den Naturschutz zu definieren und bestehende Lücken im Schutzgebietsnetz aufzuzeigen. Dabei wird auch auf die regionalen Gefahren für die Bodenbiodiversität eingegangen. In einem finalen Schritt werden außerdem (3) Kontext-abhängige Maßnahmen zusammengetragen, die den effektiven Bodenschutz begünstigen. Das Projekt bietet damit ein hohes Anwendungspotenzial der erwarteten Ergebnisse.

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Um die Verbreitung der Bodenbiodiversität und deren Gefährdung in Deutschland zu untersuchen, werden verschiedenen Aspekte berücksichtigt, nämlich die alpha- und beta-Diversität sowie die Bodentaxonomie und -funktionalität. Die räumliche Verbreitung der Bodenbiodiversität wird mittels Species Distribution Models und vorhandener Daten zu Wirbellosen (d.h. Annelida, Arthropoda, Nematoda) und Mikroorganismen kartiert, während die Bodenfunktionalität mit vorhandenen Daten zur funktionellen Vielfalt (z. B. von Lebensformen, Nahrungstypen, Habitatgrößen) abgebildet wird. Durch die Berücksichtigung verschiedener taxonomischer (TD) und funktioneller Biodiversitätsaspekte (FD) wird ein vollständigeres Bild über die räumliche Verteilung der Bodenbiodiversität in Deutschland gewonnen, sowie über mögliche Hotspots und Arten mit eingeschränkter Verbreitung (sogenannter Endemismus).

Die dazugehörigen Arbeitsabläufe wurden bereits erfolgreich für die Artengruppe der Regenwürmer (Ordnung Crassiclitellata) etabliert und können nun auf weitere Artengruppen (Springschwänze, Fadenwürmer u.a.) angewendet werden. Wir konnten zeigen, dass die meisten Regenwurmarten in Mitteleuropa weit verbreitet sind. Datenlücken finden sich vor allem in Nord-, Süd- und Osteuropa. Darüber hinaus fanden wir höhere Werte für den potenziellen Artenreichtum als zuvor vorhergesagt, mit einem Maximum von 19 Arten, die in 25 km² großen Rasterzellen gemeinsam vorkommen. Unter zukünftigen Klimabedingungen werden sich der potenzielle Artenreichtum und die Verbreitung einzelner Arten potentiell vom Westen in den Osten Europas. Arten mit kleineren prognostizierten Verbreitungsgebieten waren tendenziell anfälliger für den Klimawandel, da ihre Verbreitungsgebiete stärker zurückgingen als die der weit verbreiteten Arten. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, nicht nur die derzeitigen Verbreitungsgebiete der Arten zu schützen, sondern auch ihre potenziellen Refugien für den Klimawandel. Die potentielle Verbreitung der Regenwürmer wurde bereits publiziert. Außerdem konnten für die Springschwänze und Fadenwürmer bereits Verbreitungskarten erstellt werden. Die Berechnung der Diversität (Anzahl an Taxa) der Fadenwürmer auf Artebene führte aufgrund der Datenlage zu wenig aussagekräftigen Ergebnissen. Die Berechnung wird daher derzeit auf Gattungsebene wiederholt. Die berechnete Anzahl an Springschwanz-Arten ist in Mitteleuropa und insbesondere in Süddeutschland am höchsten mit Artenzahlen von bis zu 95 Arten pro 4 km². Datenlücken finden sich vor allem in Süd- und Nordeuropa. Weitere Artengruppen werden derzeit modelliert. Währenddessen wird in Zusammenarbeit mit dem Finnischen Umweltinstitut SYKE an der Priorisierung der ersten Artengruppen gearbeitet, sodass der Arbeitsablauf für die weiteren Artengruppen vorbereitet wird. Die konkreten Priorisierungsansätze wurden bereits erfolgreich mit allen Kollaborator:innen besprochen

Basierend auf den Verbreitungskarten werden drei Ansätze der Priorisierung verfolgt, mit denen Vorrangflächen für den Naturschutz des Bodens auf verschiedene Weisen definiert werden. Im ersten gezielten Ansatz werden Schutzgebiete für die Bodenbiodiversität  mittels des Programmes ZONATION identifiziert. Das heißt, es werden jene Gebiete gekennzeichnet, die als Hotspots der Bodenbiodiversität zu erhalten sind. In einem zweiten, konservativen Ansatz werden existierende Schutzgebiete ausgewertet und ggf. Flächen für deren Erweiterung identifiziert. Im letzten, vermeidenden Ansatz werden bodengefährdende Faktoren berücksichtigt, die potenzielle Kosten für den Naturschutz und das Management mit sich bringen. Die dabei einbezogenen Gefahren umfassen Klimawandel, Erosion durch Wasser, Landnutzungsveränderungen, Bodenverdichtung, Invasion von Pflanzenarten und Versalzung des Bodens.

Im letzten Kapitel der Promotion sollen bodenförderliche Maßnahmen aus “peer-reviewed” und Grauer Literatur gesammelt und deren potentieller Effekt in bestehenden Schutzgebieten untersucht werden. Dazu werden Informationen zu den Bewirtschaftungspraktiken in Schutzgebieten und deren Einfluss auf das Bodenökosystem hinzugezogen. Neben einem Synthesepapier wird zusätzlich eine Entscheidungshilfe (z.B. ein White paper oder eine Webseite) erstellt, um Entscheidungstragende bei entsprechenden Maßnahmen anzuleiten. Grundlage hierfür werden auch die Ergebnisse aus den Arbeitspaketen 1 und 2 sein.

Die drei dargestellten Analysen werden helfen die derzeitigen Naturschutzbemühungen zu koordinieren, indem schützenswerte Gebiete und Kontext-spezifische Maßnahmen herausgestellt werden. Die verwendeten Methoden können außerdem als Beispielstudie in anderen Ländern oder größerem Maßstab angewendet werden. Ungeachtet dessen wird das Promotionsvorhaben zu einer angemessenen Repräsentation des Bodens im Naturschutz beitragen, was wiederum den effektiven Schutz dieses bedeutenden Ökosystems ermöglicht.

AZ: 20021/752

Zeitraum

01.12.2021 - 30.11.2024

Institut

Universität Leipzig Institut für Biologie German Centre f. Integrative Biodiversity Research iDiv

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Betreuer

Prof. Nico Eisenhauer