Auf internationaler Ebene haben sich die Mitglieder der Convention on Biological Diversity (CBD), darunter auch Deutschland, verpflichtet dem Verlust der biologischen Vielfalt Einhalt zu gebieten. Laut dem internationalen Biodiversitätsrat (IPBES) kann dies allerdings nur durch die „Stärkung und Koordinierung lokaler, nationaler und internationaler Nachhaltigkeitsbestrebungen sowie des Mainstreaming von Biodiversität […]“ erreicht werden.
Sogenannte „Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne“ (BSAPs) sind das Hauptinstrument, um das internationale Mandat der CBD und die Politikintegration von Biodiversität umzusetzen. Wissenschaftlich kann man diese Politikintegration sowohl entlang einzelner politischer Ebenen (vertikal) als auch in die verschiedenen Sektoren (horizontal) untersuchen. Insbesondere in föderalen Staaten wie Deutschland sind diese Koordinierungsprozesse von zentraler Bedeutung, zumal Länder und Kommunen entscheidende Kompetenzen in der Biodiversitätspolitik besitzen.
Deutschland verfügt seit 2007 über eine nationale Biodiversitätsstrategie und mehrere Strategien auf Länder- und Gemeindeebene. Während die Literatur die Erfolge in horizontaler Integrationsrichtung als dürftig bewertet, bleibt eine tiefergehende wissenschaftliche Betrachtung in vertikaler Richtung bislang aus. So sind Fragen nach einer kohärenten Zielsetzung, dem Aufbau von gemeinsamen Kapazitäten oder politischen Lernprozessen zwischen den einzelnen Ebenen bislang unbeantwortet.
Dieses Forschungsvorhaben möchte den Blick der aktuellen BSAP-Literatur erweitern und mit Hilfe des Ansatzes der Politikintegration die Rolle sub-nationaler Ebenen für die vertikale Integration von biodiversitätsbezogenen Zielen untersuchen. In einer ersten Arbeitsphase soll der Grad der Politikintegration von Biodiversität durch die vorherrschenden Problemauffassungen, Zielabstimmungen, Akteursnetzwerke und genutzten Instrumente anhand von drei deutschen Bundesländern und je zwei zugehörigen Kommunen, bestimmt werden. In einer zweiten Phase soll die Analyse institutioneller Kapazitäten und des politischen Engagements, mit einem besonderen Fokus auf der kommunalen Ebene (in der dritten Arbeitsphase), mögliche Lösungsansätze zur Steigerung der Politikkohärenz identifizieren.
Hierfür wird diese Arbeit sowohl den Inhalt der Strategiedokumente, die Meinungen und Positionen involvierter Akteur*innen als auch strukturelle Merkmale der verbundenen Prozesse untersuchen. Methodisch stützt sie sich in den Phasen I und II auf eine Dokumentenanalyse der zentralen Strategiepapiere und Rechenschaftsberichte, eine Interviewreihe mit politischen, wirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Vertreter*innen der Länder- und Kommunalebene, sowie eine soziale Netzwerkanalyse. In Phase III sollen thematische Workshops in drei Fokuskommunen und eine quantitative online Befragung aller Kommunen eines Bundeslands zur Überprüfung der zuvor gewonnenen Hypothesen dienen.
Ziel ist es, die Debatten der Politikintegration im Umweltbereich zu erweitern, indem die noch nicht ausreichend erforschten Prozesse der vertikalen Politikintegration von Biodiversität offengelegt und mit vorhandenen Kapazitäten und dem politischen Führungswillen in Verbindung gesetzt werden. Zusätzlich wird die Arbeit Erkenntnisse über mögliche Limitierungen sowie den Einfluss zentraler Akteur*innen und Institutionen bereitstellen. Diese Verlagerung der Analyseperspektive wird erstmals eine vollständige Betrachtung des Planungsinstruments der BSAPs auf subnationaler Ebene ermöglichen.
Aktuell befinden sich sowohl die nationale Strategie als auch das internationale Rahmenwerk (sog. Global Biodiversity Framework) im Erneuerungsprozess. Die vorliegende Arbeit möchte daher Erkenntnisse und Anregungen für die verbesserte Umsetzung der zukünftigen globalen Ziele bereitstellen und eine effektivere und effizientere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Ebenen ermöglichen.