Einflüsse von Veterinärantibiotika auf die Samenkeimung und das frühe Wachstum von Kulturgrasland-Arten
Veterinärantibiotika werden weltweit in großem Umfang zur Behandlung von Tierkrankheiten eingesetzt. Aufgrund der schlechten Resorption der Mittel im Darm der Tiere gelangen sie zum Großteil unverändert über Ausscheidungen auf landwirtschaftliche Nutzflächen. Dort können sie von Nichtzielorganismen, wie Gefäßpflanzen, aufgenommen werden und deren frühe Entwicklung bedrohen. In diesem Kontext wurde bisher vor allem der Einfluss auf Kulturpflanzen untersucht, während Wildpflanzenarten des ökologisch bedeutsamen Kulturgraslandes, die vor allem durch Gülleausbringung in Kontakt mit Antibiotikastoffen kommen, deutlich weniger fokussiert wurden. Deshalb wurde in dieser Arbeit der Einfluss realistischer Konzentrationen (0,1 – 20 mg/L) zweier häufig verwendeter Veterinärantibiotika, Tetracyclin und Sulfamethazin, auf die Keimung und das frühe Wachstum von typischen Arten des temperaten Kulturgraslandes untersucht. Da in der Natur oft mehrere Stressoren gleichzeitig auf einen Organismus einwirken, wurden auch zwei Multistressszenarien, nämlich Pharmazeutikamischungen und das Zusammenspiel von pharmazeutischem Wirkstoff mit abiotischen Bedingungen (Trockenstress) untersucht. In vier Themenblöcken wurden sowohl standardisierte Laborversuche als auch naturnähere Topf- und Feldversuche durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl die Keimung als auch das frühe Wachstum durch beide Wirkstoffe, jedoch häufiger durch Tetracyclin, beeinträchtigt wurden. Während die Keimung uneinheitlich in Bezug auf die Effektrichtung beeinflusst wurde, zeigte sich eine starke, antibiotika- und konzentrationsabhängige Reduktion der Wurzellänge vor allem durch Tetracyclin, in den Petrischalenversuchen (20 mg/L bis 96 %, bei Dactylis glomerata). Das oberirdische Wachstum (Blattlänge, Wuchshöhe, Biomasse) wurde geringer beinflusst, und dabei oft wachstumsfördernd. In der gesamten Arbeit zeigten sich immer wieder Hormesis- Effekte, d.h. geringe Konzentrationen, die stimulierend wirkten, während höhere Konzentrationen toxisch wirkten. Die betrachteten Kombinationen verschiedener Faktoren führten entgegen der Erwartung nicht eindeutig zu stärkeren oder alleinigen Einflüssen. In einzelnen Fällen zeigten sich solche Muster, jedoch wurden auch Verluste von Einzeleffekten bei den Kombinationen beobachtet oder Einzeleffekte, die sich dort erneut abbildeten.
Es zeigten sich, wenn auch uneinheitlich, signifikante Einflüsse auf die frühen Entwicklungsstadien von typischen Wildpflanzenarten, die bereits durch andere Faktoren einen Rückgang erfahren. Gerade im Hinblick auf die wiederholte Ausbringung von Gülle und die potenzielle Akkumulation dieser hoch persistenten Stoffe stellen Veterinärantibiotika einen weiteren wichtigen Einflussfaktor dar, der die Biodiversität und Artzusammensetzung gefährdet, weshalb zu einem umweltbewussten Umgang mit ihnen geraten wird.