Promotionsstipendium: Veronika Rohr-Bender

Morph- und individuelle Variation in Entwicklung und Verhalten bei Kampfläufern

Der Kampfläufer (Calidris pugnax) ist ein von der globalen Erwärmung betroffener Watvogel der nördlichen Breiten. In Europa ist er besonders stark bedroht und steht in Deutschland kurz vor dem Aussterben. Kampfläufer zeichnen sich durch eine besonders vielfältige Brutbiologie aus. Die Männchen der Art verfolgen drei genetisch bestimmte, alternative Fortpflanzungstaktiken. Die meisten Männchen gehören zu den Einzelkämpfern, welche aggressiv Territorien auf den Balzplätzen verteidigen. Satelliten und Faeder dagegen sind nicht territorial. Satelliten sind submissive Partner in einer Balzallianz mit einem Einzelkämpfer, während die seltenen Faeder mit weibchenähnlichem Gefieder und Verhalten sich Kopulationen erschleichen. Bislang hat sich die Erforschung der Brutbiologie auf die Männchen konzentriert, da diese die stärksten Unterschiede zeigen. Über Verhaltensvariation in den Weibchen, welche gleichermaßen Träger der genetischen Unterschiede sind, ist dagegen sehr wenig bekannt. Die drei Taktiken (Morphen) werden vermutlich durch ausgleichende Selektion in natürlichen Populationen in der Balance gehalten. Die Unterschiede sind im Erwachsenenalter am prominentesten, entwickeln sich aber schon während der frühen Entwicklung. Die Sterblichkeit ist bei den nestflüchtigen Küken vor dem Flüggewerden besonders hoch, daher können physiologische Unterschiede stark ins Gewicht fallen.

In meiner Dissertation möchte ich potentielle Mechanismen der ausgleichenden Selektion während der Entwicklung untersuchen. Ich werde mich im speziellen der individuellen Variation widmen. Kontinuierliche, individuelle Variation, z.B. in Wachstum und Verhalten kann es einzelnen Individuen ermöglichen mit nachteiligen Begleiterscheinungen ihres Genotyps besser zurechtzukommen. Dafür werde ich anhand von morphologischen Messungen testen, ob Unterschiede im Wachstum das Alter beim Flüggewerden beeinflussen und sich im Fortpflanzungserfolg widerspiegeln. Mit Verhaltensexperimenten werde ich außerdem frühreifes Sexualverhalten der Küken untersuchen und mit ihrem späteren Fortpflanzungserfolg vergleichen. Mit klassischen Tests für tierische Persönlichkeitstypen werde ich die Küken auf Unterschiede z.B. in Erkundungsverhalten und Risikobereitschaft untersuchen. 

Die erwarteten Erkenntnisse zum Ausmaß der phänotypischen Variation und zur Populationsstruktur, d.h. die Häufigkeit der Taktiken sind von unmittelbarer Bedeutung für Erhaltung und Schutz von Kampfläufern. Veränderungen in der Populationsstruktur sind mit unvorhersehbaren Folgen für den Fortbestand der Art verbunden. Sowohl Umweltveränderungen als auch Schutzmaßnahmen können unterschiedliche Reaktionen von Vögeln mit verschiedenen Persönlichkeitstypen auslösen. Dies kann die Verhaltens- und damit genetische Variation in Populationen und folglich ihre Anpassungsfähigkeit verringern.

AZ: 20021/717

Zeitraum

01.07.2021 - 30.06.2024

Institut

Max-Planck-Institut für Ornithologie FG Verhaltensgenetik und Evolutionäre Ökologie

Betreuer

Dr. Clemens Küpper