Artensterben, Hungersnöte, Klimawandel – die Umwelt und mit ihr der Mensch sind bedroht und die Überschreitung ökologischer Grenzen ist längst mehr als ein fiktionales Schreckensszenario. Allgegenwärtig durchdringt der nicht-nachhaltige Umgang mit endlichen Ressourcen unseren Alltag und schlägt weit über die Grenzen einzelner Wissenschaftsdisziplinen hinausgehende Wellen.
Als Spiegel der Gesellschaft greift Literatur seit jeher die großen gesellschaftlichen Debatten auf, denkt diese weiter und wirkt auf sie ein. Da verwundert es nicht, dass Autor:innen des 21. Jahrhunderts im Angesicht der aktuellen Nachhaltigkeitsherausforderungen mit reichhaltigen Fiktionen auffahren. Und so kann das Literarische Klima-Quartett aus Norwegen (Lunde, 2015-2022) neben deutschen Wirtschaftsromanen wie Rückwind (Spinnen, 2019) und französischen fictions d’affaires wie Sérotonine (Houellebecq, 2019) mit Blick auf die Literarisierung tatsächlicher Sachverhalte und Imaginationen nachhaltiger Entwicklung gelesen werden. Doch obschon zahlreiche Disziplinen im Streben nach Antworten auf die Nachhaltigkeitsproblematik mobilisiert wurden, bleibt das der (Gegenwarts-)literatur innewohnende Potenzial bislang größtenteils außen vor. Dabei ist diese unerschöpfliche Ressource als Träger fiktionaler Empirie unbedingt beachtenswert. Schließlich kann Literatur experimentierend und frei von objektivem Erkenntnisinteresse das Verständnis für Umweltfragen ausbauen und zudem handlungslenkend auf Leser:innen einwirken.
Ausgehend von der skizzierten Beobachtung will das Forschungsvorhaben das Potenzial der Ressource Literatur für die Nachhaltigkeitsforschung freilegen. Hierzu werden Möglichkeiten und Grenzen fiktionaler Empirie ausgelotet. Nach ihrer literaturhistorischen Einbettung wird diese Lesart exemplarisch an drei aktuellen norwegischen, französischen und deutschen Romanen erprobt. Den nachhaltigen Umgang mit Mensch und Umwelt ins Zentrum stellend, tritt das Vorhaben zugleich an, über die exemplarische Beschreibung und Analyse ausgewählter Romane die Relevanz literarischer Einsichtnahme in komplexe globale Herausforderungen unserer Zeit zu unterstreichen.