Idee/wesentliche Ziele:
Das Forschungsvorhaben „Quantifizieren menschlichen Handelns als Treiber des Artensterbens“ strebt an, menschengemachte Stressoren, die sich negativ auf die Biodiversität auswirken, zu quantifizieren. Hauptziel ist es, anhand eines neu-entwickelten, globalen „Human Pressure Index (HPI)“ das Risiko verschiedener Arten auszusterben erstmals so zu berechnen, dass räumlich und zeitlich explizite Unterschiede des Aussterberisikos ersichtlich werden. Die IPBES (Weltbiodiversitätsrat) hat fünf direkte anthropogene Stressoren identifiziert, die hauptverantwortlich für den Rückgang der Artenvielfalt sind: Landnutzungs- und Landoberflächenwandel, Ressourcennutzung, Umweltverschmutzung, invasive Arten und Klimawandel. Für diese Stressoren werden diverse Zeigervariablen ermittelt und zu dem HPI kombiniert. Mit fortgeschrittenen statistischen Methoden werden anschließend die Beziehung zwischen dem HPI und Daten zum Aussterberisiko von Wirbeltieren herausgearbeitet. Das Forschungsprojekt wird berechnen, wie sich eine Verstärkung oder Abschwächung unterschiedlicher Stressoren – und ihre Kombination – auf Biodiversität auswirkt. Zuletzt sollen durch Veränderung der Werte verschiedener Stressoren, Zukunftsszenarien berechnet werden, die Prognosen zur Wirksamkeit der Reduktion der jeweiligen Stressoren auf Artenverlust erlauben.
Umweltrelevanz/praktische Bedeutung:
Trotz bestehender Artenschutzziele führt die immer stärkere Nutzung von Ökosystemen zu teils irreversiblen Verlusten von Arten. Biodiversität und funktionierende Ökosysteme sind maßgeblich für das Fortbestehen menschlicher Lebensgrundlagen. Mit der Unterzeichnung der UN Konvention zum Schutz der Biodiversität hat sich Deutschland mit der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ (NBS) verpflichtet, ein Artenschutzkonzept zu etablieren. Die Verfolgung dieser Ziele hat dazu beigetragen, den Biodiversitätsverlust und das Artensterben zu bremsen, aber eine Erreichung der Ziele in 2020 war nicht gegeben. Die NBS ist derzeit in Überarbeitung, auch im Hinblick auf die neue EU Biodiversitätsstrategie bis 2030. In Deutschland, wie auch anderswo, hängt der Erfolg der Biodiversitätsstrategien maßgeblich von der Reduktion der von der IPBES genannten Stressoren ab.
Essentiell für die Entwicklung und Umsetzung erfolgreicher Naturschutzmaßnahmen ist das robuste Verständnis des Einflusses menschlicher Aktivitäten auf Artenvielfalt. Quantitative Berechnungen sind insbesondere im Zusammenhang mit Schutzmaßnahmen wichtig, um zu ermessen, ob und wo diese wirksam sind – nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch extrapoliert in die Zukunft. Wie sich auch in der Debatte um die Erderwärmung zeigt, sind quantitative Zielvorgaben (z.B. < 2oC) grundlegend für politische und gesellschaftliche Entscheidungen, der Entwicklung entsprechender Maßnahmen und auch deren Kommunikation. Ähnlich verhält es sich auch mit der Biodiversität. Um diese nachhaltig zu schützen, sind quantitative Methoden zur Vorhersage nötig - allerdings fehlen dafür noch zum Teil die wissenschaftlichen Grundlagen. Dieses Forschungsvorhaben soll dazu beitragen, diese Wissenslücken zu schließen.
Grundzüge des Vorgehens/Methoden:
Zunächst wird ein HPI auf globaler Ebene für den Zeitraum 1990-2015/20 entwickelt und anschließend verwendet, um den Einfluss menschlicher Stressoren auf das Aussterberisiko von Wirbeltieren zu ermitteln. Die Methodik basiert zum einen auf Kartenalgebra zur Erstellung des HPI. D.h. die Rasterdaten der Stressoren werden addiert, standardisiert und gewichtet. Die Daten sind eine Kombination aus öffentlich zugänglichen Satelliten-, Mess- und Beobachtungsdaten z.B. der FAO, der IUCN, des ECMWF. Um den HPI auf Daten zum Aussterberisiko anzuwenden, werden zum anderen Random Forests und General Linear (mixed) Models genutzt. Da die Daten räumlich und zeitlich hochaufgelöst (ca. 10km, jährlich) sein werden, sind explizite Aussagen zur Verteilung und Veränderung von Artenverlusten möglich. Ein Vergleich der Fehlerterme und Unsicherheiten soll zeigen, welches statistische Verfahren besser geeignet ist und wo die Hauptunsicherheiten liegen. Im letzten Schritt sollen Zukunftsszenarien berechnet werden. Dabei werden einzelne Stressoren, basierend auf vorhandenen Studien, in ihrer Wertigkeit verändert, um zu testen, welche Reduktion welches/r Stressors/en die größtmögliche Schutzwirkung hat.