Ziel und Ansatz
Ziel des Projektes ist die Erarbeitung von Managementempfehlungen für die Bewirtschaftung von Wäldern des mitteleuropäischen Binnentieflandes mit Blick auf den Schutz rindenbewohnender (epiphytischer) Kryptogamen (Flechten, Moose). Da der Großteil der deutschen und polnischen Waldflächen einer Bewirtschaftung unterliegt und auch weiterhin unterliegen wird, ist die Integration von Artenschutzmaßnahmen von besonderer Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität im Waldbereich. Flechten und Moose sind dabei zwei der vielfältigsten Artengruppen. Die Datenerhebung erfolgte auf einem 100 km breiten Geländestreifen entlang der deutsch-polnischen Grenze (Nord-Süd: Berlin bis Zittau). In diesem Gebiet wurde über einen teilrandomisierten Ansatz per GIS und Geländebegehungen explizit nach Waldstrukturen gesucht, die für das Vorkommen rindenbewohnender Flechten und Moose interessant waren. Beprobt wurden 1 ha große Flächen über die intensive Begehung der gesamten Fläche und Erfassung aller auftretenden Epiphyten.
Ergebnisse (Stand: 22.11.2024)
Insgesamt konnte mit einer Gesamtartenzahl von 187 rindenbewohnenden Flechten- und Moostaxa eine beeindruckende Vielfalt im Untersuchungsgebiet nachgewiesen werden. Reinbestände aus Kiefer und Fichte bilden mit durchschnittlich zehn Arten pro Untersuchungsfläche die mit Abstand artenärmsten Waldtypen. Bereits das Vorhandensein eines oder weniger Bäume einer anderen Baumart kann jedoch zur deutlichen Steigerung der Artenvielfalt auf der Fläche führen. Für die Region sind dabei besonders Lärche, Birke, Stiel- und Traubeneiche sowie Weichlaubhölzer wie Pappel und Weide relevant. Aber auch die nicht-heimische Roteiche leistet einen wichtigen Beitrag für den Schutz rindenbewohnender Flechten und Moose in den Wirtschaftswäldern des Untersuchungsgebietes. 68,4 % der Flechten- und 62,3 % der Moosarten, die an Eichen gefunden wurden, konnten sowohl an den heimischen Arten Stiel- und Traubeneiche als auch an der Roteiche festgestellt werden. Ähnliche Artenspektren sind vor allem in jungen Eichenbeständen zu finden. Dennoch bildet die Roteiche keinen Ersatz für die heimischen Eichenarten und wenn möglich, sollten letztere bei der Baumartenwahl den Vorrang genießen. In Waldbrand-gefährdeten Regionen bietet sich allerdings über die Roteiche die Möglichkeit, Synergieeffekte zwischen Waldbrandprävention und Artenschutz zu erzeugen. Sogenannte Waldbrandriegel aus Roteiche können hier eine vielversprechende Lösung darstellen. Generell sind die Möglichkeiten kleinflächiger Maßnahmen zu betonen, die ein großes Potenzial für den Artenschutz und ein geringes Konfliktpotenzial im Kontext einer wirtschaftlichen Nutzung umfassen. Das Belassen von Einzelbäumen kann dabei nicht nur für die Artenvielfalt an sich, sondern auch für das konkrete Vorkommen gefährdeter Arten relevant sein. Besonders eindrucksvoll lässt sich dies am Beispiel des Weißhaubigen Goldhaarmooses (Orthotrichum scanicum Grönvall) darstellen. Das Vorkommen dieser deutschlandweit gefährdeten (Rote Liste: 3) Art konnte über alle Untersuchungsflächen nur an einer einzigen Weide inmitten eines ansonsten reinen Kiefernbestandes entdeckt werden.