Viele Wissenschaftler*innen sind sich einig, dass die aktuelle ressourcen- und energieintensive Wirtschaft insgesamt ökologisch nicht tragfähig ist und die planetarischen Grenzen überschreitet. Das Circular Economy (CE) Konzept wird als nachhaltiger und holistischer Lösungsansatz zur Bewältigung der aktuellen und zukünftigen Umweltprobleme von vielen Wissenschaftler*innen untersucht. CE ermöglicht den Wandel eines linearen Wirtschaftsmodells hin zu geschlossenen und energieeffizienten Wertschöpfungsketten, in welchen natürliche Ressourcen so lange wie möglich in den zirkulären Kreisläufen erhalten bleiben. Bisherige Studien zur Anwendung von der CE in der Praxis konzentrieren sich hauptsächlich auf den Wandel durch technischen Fortschritt und vernachlässigen die Veränderung der Handlungspraxis. Eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft benötigt mehr als nur einen effizienten Ressourceneinsatz und eine technische Schließung der Materialkreisläufe in der Wertschöpfungskette. Ein Umdenken der Verhaltensmuster im Konsum und in der Produktion ist gemäß vielen Wissenschaftler*innen wesentlich, um eine absolute Reduktion des wirtschaftlichen Ressourcenverbrauchs zu erreichen.
Für einen ganzheitlichen Systemwandel zur CE spielen Suffizienzstrategien in Geschäftsmodellen eine wichtige Rolle. Suffizienzstrategien ermöglichen den Nutzer*innen von Produkten und Dienstleistungen weniger zu konsumieren und beabsichtigen die Entmaterialisierung und die Verringerung des Ressourceneinsatzes in der Produktion. Obwohl viele Studien die Grenzen technikbasierter Strategien erkennen, finden sich in der Forschung und in der Praxis wenige Beispiele für Suffizienzstrategien in Geschäftsmodellen. Die vorliegende Promotion kommt diesem Forschungsbedarf nach, mit dem Ziel aktuelle Beispiele von Suffizienzstrategien zu systematisieren und neue Visionen für suffizienzorientierte Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die zentralen Fragen sind: Wie können Suffizienzstrategien von Unternehmen angeeignet, Unternehmenstransformationen angestoßen und suffizienzorientierte Geschäftsmodelle praktisch und erfolgreich umgesetzt werden?
Drei Wissensformen spielen in der Transformationsforschung eine wichtige Rolle: System-, Transformations- und Zielwissen. Das Systemwissen analysiert existierende Strukturen und Prozesse komplexer Systeme. Das Zielwissen entwickelt Zukunftsszenarien, welche mit Hilfe des Transformationswissens erreicht werden sollen. Im Lauf dieser Promotion werden diese drei Wissensformen mit dem Fokus auf suffizienzorientierte Geschäftsmodelle genauer definiert und praxisrelevant weiterentwickelt.
Im ersten Forschungsteil werden aktuelle Beispiele von Suffizienzstrategien in europäischen Unternehmen empirisch erforscht und analysiert. Eine Systematisierung dieser Beispiele soll das Systemwissen über die Entstehens- und Gelingensbedingungen für suffizienzorientierte Geschäftsmodelle anreichern. Die empirischen Fälle werden anhand der Grounded Theory und der Case Study Approach definiert, qualitativ analysiert und verglichen, bis eine vollständige Typologie von Suffizienzstrategien entsteht.
Im zweiten Forschungsteil wird ein Co-Design-Ansatz verfolgt, in dem gemeinsam mit Vertreter*innen deutscher Unternehmen Transformationspfade und -ziele für suffizienzorientierte Geschäftsmodelle entwickelt werden. In Visioning-Workhops werden neue Leitbilder für spezifische Unternehmen sowie suffizienzorientierte Geschäftsmodelle entwickelt. Anschließend werden die entwickelten Visionen auf ihre Fähigkeit, eine sozial-ökologische Transformation zu fördern, geprüft. Die suffizienzorientierten Geschäftsmodelle werden qualitativ verglichen, um Besonderheiten von verschiedenen Unternehmensklassen und Industrien zu identifizieren.