Die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung der Energiewende ist eine große Herausforderung für die ganze Gesellschaft. Soziale und technische Aspekte müssen von Anfang an gemeinsam betrachtet werden, um die ökologischen Ziele zu erreichen. Technische Lösungen sind dementsprechend im Sinne der Gesellschaft zu entwickeln.
Eine der Herausforderungen liegt in einer verständlichen Darstellung der Zielkonflikte. Die Zielkonflikte entstehen unter anderem durch verschiedene Einzelinteressen der beteiligten Gruppen und der technologischen Umsetzbarkeit der Wünsche. Die Bevölkerung unterstützt die Energiewende als abstrakte Idee, ist aber kritisch, sobald Gewohnheiten bedroht werden. Dazu gehören Ängste vor radikalen Veränderungen mit Einflüssen auf die Arbeitswelt oder vor dem Bau neuer Infrastrukturprojekte, sowie die Sorge der Unternehmen um ihre Geschäftsfelder. Als eine weitere wichtige Gruppe probieren die Behörden, innerhalb ihres teilweise begrenzten Spielraums zu gestalten, indem Regularien angepasst und Projekte gefördert werden. Dazu kommen technologische Herausforderungen, weil zum Beispiel erneuerbare Energien konventionelle Kraftwerke nicht eins zu eins ersetzen können. Dementsprechend schwierig ist es, fundierte politische Entscheidungen unter Berücksichtigung aller Aspekte zu treffen. Insbesondere Stromnetze sind komplexe Systeme, die ohne Fachwissen nur schwer nachvollziehbar sind.
Für diese komplexen Fragestellungen soll Maschinelles Lernen (ML) eingesetzt werden, um die technischen und ökonomischen Beschränkungen bzw. Zwänge zu analysieren. Aufgrund der leichten Auswertbarkeit von ML-Systemen hat dieser Ansatz das Potenzial, die Analysen deutlich schneller zu machen. Schnelle Analysen wiederum ermöglichen interaktive Anwendungen, wodurch die komplexen Zusammenhänge erfahrbar werden. Damit können Stabilitätsuntersuchungen für den Netzausbau oder die Auswirkungen von Extremwetterereignissen auf die Energieversorgung analysiert werden. Diese Untersuchungen können explorativ durch das Testen verschiedener Konfigurationen erfolgen, ohne dass spezifische methodische Kompetenzen erforderlich sind. Das ermöglicht die leichte Anwendung für Stakeholder ohne hohen Rechenaufwand. Die dafür entwickelten Methoden lassen sich leicht auf andere Analysen übertragen, bei denen ebenfalls Interaktivität gewünscht ist.
Eine wichtige Grundlage für die Analyse von Netzwerken durch ML sind die sogenannten Graph Neural Networks (Graph NN). Hiermit können Netzwerke ohne Annahmen zur Vereinfachung der Netzwerkstruktur, auch Topologie genannt, durch ML evaluiert werden. Für die geplanten Anwendungen sind noch Weiterentwicklungen von den sehr neuen Graph NN-Methoden erforderlich. Deswegen sollen die Graph NN im Rahmen der Promotion modifiziert werden, um Analysen zukünftiger Stromnetzanalyse zu ermöglichen. Dadurch kann ein Beitrag zur Verbesserung der Erklärbarkeit von Entscheidungsprozessen geleistet werden.
Des Weiteren können aus Analysen der Entscheidungsfindung von Graph NN neue Erkenntnisse abgeleitet werden. Hierfür wird der Entscheidungsvorgang der Graph NN bewertet und die Hintergründe für die Entscheidungen werden evaluiert. Dadurch sind möglicherweise stabilitätsfördernde Eigenschaften von Stromnetzen identifizierbar, die auch abseits von ML-Anwendungen für die Netzplanung interessant sind.