Promotionsstipendium: Sebastian Neubert

Der Einfluss individueller Lebensstile mit geringer Erwerbsarbeitszeit auf den Umweltschutz, Treibhausgas-Emissionen und Wohlbefinden

Glückliche und genügsame Lebensstile innerhalb der planetaren Grenzen

Um die Klimaziele von Paris zu erreichen, die Deutschland sich gesetzt hat, ist eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen von 80-90% gegenüber 1990 erforderlich. Der aktuelle Entwicklungspfad ist weit von diesem Ziel entfernt. Treibhausgas-Emissionen entstehen aus dem Versuch von Menschen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Daher sind nicht nur technologische Lösungen, sondern insbesondere auch die Verhaltensänderung von Menschen für die Lösung des Klimawandels gefragt.

Eine geringe Erwerbsarbeitszeit geht mit einem geringeren Einkommen einher. Einkommen wiederum hat sich als wichtiger Einflussfaktor auf Verhaltensweisen mit großer Klima-Relevanz erwiesen, wie beispielsweise auf die Anzahl von Flugreisen und Auto-Strecken. Arbeitszeitverkürzungen könnten daher eine Strategie zur Senkung der individuellen Treibhausgasemissionen bei gleichzeitiger Verbesserung des individuellen Wohlbefindens sein. Frühere Studien haben die Umwelteffekte von Arbeitszeitverkürzungen nur im Querschnitt und die Auswirkungen auf das Wohlbefinden nur für Arbeitszeitverkürzungen mit konstantem Einkommen untersucht. Ich habe in meiner Promotion eine Drei-Wellen-Studie mit Schweizer Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen durchgeführt, die eine Gruppe umfasste, die ihre Arbeitszeit nach dem ersten Fragebogen freiwillig reduzierte. Die Analyse zwischen den Versuchspersonen ergab, dass die Arbeitszeit zu mehr Wohlbefinden und das Einkommen zu weniger Wohlbefinden führte, wobei die Arbeitszeit über das Einkommen auch das Umweltverhalten beeinflusste. Nach der Verringerung ihrer Arbeitszeit berichteten die Teilnehmenden über ein gesteigertes Wohlbefinden, weniger Autofahrten für Pendelwege und weniger Ausgaben für Kleidung, aber keine Verbesserung bei anderen Umweltverhaltensweisen. Die Arbeitszeitverkürzung scheint sich positiv auf das individuelle Wohlbefinden (auch bei sinkendem Einkommen) und auf umweltfreundliche Verhaltensweisen auszuwirken, die leichter zu beeinflussen sind. Allerdings scheinen Arbeitszeitreduktionen nur begrenzte Auswirkungen auf Verhaltensweisen zu haben, die stark von einer etablierten Infrastruktur und Gewohnheiten abhängen.

Eine allgemeine gesellschaftliche Arbeitszeitverkürzung könnte einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden der Gesellschaft haben und den ökologischen Fußabdruck in moderatem Ausmaß reduzieren. Um aber eine größere Reduktion des Umweltverbrauchs der Gesellschaft zu erreichen wären Arbeitszeitreduktionen in großem Umfang erforderlich. Damit diese nicht zu einer Reduktion des Wohlbefinden führen, ist es ratsam, sie mit einem abgestuften Lohnausgleich zu kombinieren, sodass Menschen je nach ihrem Einkommen einen Teil bis zum vollständigen Lohnverlust ausgeglichen bekommen.

Diese Forschungsarbeit sollte zu der Debatte beitragen, wie der sozial-ökologische Wandel zu einer dekarbonisierten Gesellschaft so gelingen kann, dass gleichzeitig das Wohlbefindens-Niveau der Gesellschaft nicht gefährdet wird oder sogar steigt. Sie schließt somit an aktuelle Debatten zu den Themen Suffizienz, Postwachstum und neuen Arbeitsmodellen an.

AZ: 20019/605

Zeitraum

01.08.2019 - 31.07.2021

Institut

Universität Koblenz-Landau
Institut für Sozial-, Umwelt- & Wirtschaftspsychologie
Abteilung Umweltpsychologie

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Betreuer

Prof. Dr. Gerhard Reese