Promotionsstipendium: Paul Wienecke

Totalsynthese und SAR-Studien von Thallusin-Derivaten als Morphogene in grünen Makroalgen

Totalsynthese und SAR-Studien von Thallusin-Derivaten in grünen Makroalgen

Eine große Herausforderung in der zukunftsträchtigen Algenbiotechnologie stellt das Design definierter Kultivierungsmedien in geschlossenen Systemen dar, um eine konstante Qualität und nachhaltige Aquakulturen zu gewährleisten. Dementsprechend ist die Erforschung der Wachstumsfaktoren von Algen von großer Bedeutung. Thallusin ist ein von marinen Bakterien sekretiertes Terpenoid, welches eine artenspezifische morphogene Aktivität in Algen aufweist. Für die weitverbreitete grüne Makroalge Ulva mutabilis ist Thallusin essenziell für die korrekte Zellwand- und Thallusausbildung. Interessanterweise nimmt Ulva Fe(III) spezifisch über einen Thallusin-Fe(III)-Komplex auf, welcher auch in Algenkultur detektiert werden konnte.

Eine Aufklärung des molekularen Wirkmechanismus von Thallusin und der Bedeutung des korrespondierenden Eisen-Komplexes steht aus. Um diesen Ziel näher zu kommen, sollte im Rahmen dieser Arbeit eine enantioselektive Totalsynthese von (–)-Thallusin, dem biologisch aktiven Enantiomer, entwickelt werden, um sowohl einen Zugang zu adäquaten Mengen des Morphogens als auch eine Plattform für strukturelle Modifikationen für detaillierte biologische Studien zu etablieren. Hierbei wurden verschiedene Strategien verfolgt, um das Terpengerüst aufzubauen. Zunächst konnte ausgehend von β-Ionon über eine chirale-Auxiliar-Strategie, Au(I)-katalysierte 6‑endo‑trig Allen-Zyklisierung und eine Negishi-Kreuzkupplung (–)-Thallusin stereoselektiv dargestellt werden. Mit der erhaltenen Substanz konnte durch den Kooperationspartner PD Dr. Thomas Wichard (IAAC, FSU Jena) Thallusins morphogene Aktivität in Ulva mutabilis erstmalig quantifiziert werden. Hierbei wurde ein außerordentlich niedriger EC50 von 4.9 ± 0.1 pM ermittelt. SAR-Studien deuten darauf hin, dass der durch (‒)-Thallusin Signaltransduktionsweg in Ulva zu zwei getrennten Wirkungen führt, welche sich selektiv durch bestimmte Moleküle auslösen lassen. Des Weiteren wurde mit synthetischem Thallusin als Referenzmaterial eine Massenspektrometrie-basierte Quantifizierungsmethode für Algen- und Bakterienkulturen entwickelt.

Bei der Entwicklung einer Racematspaltungs-freien Totalsynthese konnte mit einer Proton-induzierten Polyenzyklisierung Schlüsselintermediat rac-Ambreinolid im Multigramm-Maßstab effizient dargestellt werden. Ausgehend von Ambreinolid wurde eine Syntheseroute zu Thallusin entwickelt. Ein enantioselektiver Zugang zu (–)-Thallusin konnte schließlich über eine asymmetrische Iridium-katalysierte Polyenzyklisierung erreicht werden. Mithilfe der erhaltenen Substanzen konnte bestätigt werden, dass durch bakterielle Thallusin-Produzenten ausschließlich das aktive Enantiomer gebildet wird. Eisenaufnahme-Experimente deuten darauf hin, dass Eisen als „trojan horse“ für Thallusin dient, um in die Algenzelle transportiert zu werden, wobei dieser Transport wenig selektiv scheint. Die Struktur-abhängige Bioaktivität lässt sich durch Interaktion mit einem intrazellulären Rezeptor erklären.

Im Zuge der Entwicklung der Totalsynthesen wurde eine neuartige CH-Cyanierungsmethode entdeckt, welche sich auf Enolether, Pyrrole, Indole und Enamine anwenden lässt. Mechanistische Studien deuten hierbei auf eine duale Katalysatorrolle von Zn(OTf)2 hin. Zudem wurde diese Methode bei der erstmaligen Totalsynthese des Naturstoffs Nannozinon B angewandt.

Mittels der Polyenzyklisierungs-basierten Thallusin-Totalsynthesen wurden verschieden isotopenmarkierte Thallusin-Derivate dargestellt. Diese können hochempfindlich per Massenspektrometrie detektiert werden, womit die Aufnahme und der Abbau in Ulva aufgeklärt werden soll.

AZ: 20018/583

Zeitraum

01.01.2019 - 31.12.2021

Institut

Friedrich-Schiller-Universität Jena
Chemisch-Geowissenschaftliche Fakultät
Institut für Organische Chemie

Betreuer

Prof. Dr. Hans-Dieter Arndt