Promotionsstipendium: Fabian Sittaro

Ausbreitungsverläufe invasiver Pflanzenarten in Deutschland – Habitatmodellierung unter Einbeziehung interspezifischer Konkurrenz und Analyse der Verbreitungswege anhand zellulärer Automaten

Ausbreitungsverläufe invasiver Pflanzenarten in Deutschland

Invasive Pflanzenarten stellen durch eine Gefährdung der Biodiversität eine aktuelle Naturschutzproblematik dar. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass ihre Ausbreitung durch zu erwartende Klimaveränderungen begünstigt wird.

Ziel des Promotionsvorhabens ist es, die Habitateignungen ökologisch relevanter invasiver Pflanzenarten unter gegenwärtigen und zukünftigen Klimabedingungen in Deutschland an Hand statistischer Habitatmodellierungen zu prognostizieren.Dabei soll interspezifische Konkurrenz mit bestehenden Vegetationsgemeinschaften besonders berücksichtigt werden. Ferner sollen die Ausbreitungsverläufe der untersuchten Arten an Hand zellulärer Automaten modelliert werden.

Grundlagen der Modellierung sind aktuelle Verbreitungsdaten der Arten, sowie ausgewählte Umwelteigenschaften des Untersuchungsgebiets; beide Datentypen werden in Quadranten zusammengefasst, die sich über das gesamte Untersuchungsgebiet erstrecken.

Zur Modellierung der Habitateignung werden folgende Umweltvariablen verwendet: Höhe, Landnutzung, Verkehrsinfrastruktur (Straßen, Bahnlinien), Flüsse & Kanäle sowie Bodenform.Als Klimavariablen werden die Jahresdurchschnittstemperatur, die Durchschnittstemperatur der Jahreszeiten, die durchschnittliche, jährliche Niederschlagsmenge sowie die durchschnittliche Niederschlagsmenge der Jahreszeiten für den Referenzzeitraum 1981-2010 verwendet.

Umweltvariablen, welche biotische Faktoren und interspezifische Konkurrenz abbilden, werden aus multispektralen, multitemporalen MODIS-  bzw. VIIRS-Satellitendaten gewonnen,  die an 10 Zeitpunkten in der Vegetationsperiode aufgenommen werden und anhand von Support Vector Machines nach Ähnlichkeit zu bestehenden Lebensraumtypen innerhalb ausgewiesener Natura2000-Flächen klassifiziert werden.

Drei statistische Verfahren werden parallel angewandt, um die Abhängigkeit der Artvorkommen von den Umweltvariablen zu ermitteln: Boosted Regression Trees, Support Vector Machines und Generalised Linear Models. Die Ergebnisse werden anschließend gemittelt. Aus den resultierenden Modellparametern werden die relativen Vorkommenswahrscheinlichkeiten der Arten für gegenwärtige und zukünftige Klimaverhältnisse prognostiziert, die anschließend in  Habitateignungsklassen übersetzt werden.Unter prognostizierten Klimabedingungen wird die Modellierung für drei Emissionsszenarien durchgeführt (RCP 26, 60, 85) und basiert auf zwei AOGCMs (HadCM3 und CCSM3).

Den maximalen Prognosehorizont stellt das Jahr 2070 dar; zur Unterstützung späterer Modellvalidierung, werden Habitateignungen ebenfalls für 2020, 2040 und 2060 ermittelt, außerdem anhand historischer Klimadaten für den Zeitraum 1951-1980.

Der Verlauf biologischer Invasionen wird anhand zellulärer Automaten prognostiziert, in dem Quadranten in jedem Durchlauf als besiedelt oder nicht besiedelt definiert werden. Der Initialzustand entspricht den aktuellen Verbreitungsdaten, eine Iteration repräsentiert eine Vegetationsperiode.Die Änderung der Zellzustände wird von Zellwerten beeinflusst, welche sich einerseits aus der graduell an prognostizierte Klimaverhältnisse angepassten Habitateignung ergeben, anderseits aus der Anwendung mathematischer Regeln, die sich an artspezifischen Verbreitungseigenschaften orientieren.Dazu zählen zum Beispiel  Samenmasse, Verbreitungsform oder Dauer der Blütezeit.Die daraus abgeleiteten Regeln beeinflussen ebenfalls die Größe der Zellnachbarschaft.

Die erste Validierung der Modelle besteht in einem Vergleich zwischen prognostizierten Habitateignungen und modellierten Verbreitungswegen. Modelle, deren Ausbreitungswege sich mit der Änderung der Habitateignung decken, werden in einem zweiten Validierungsverfahren verwendet. Darin entspricht der Initialzustand den Artverteilungen zwischen 1951 und 1980 und die Habitateignungen den damaligen Klimaverhältnissen. Die Modellregeln werden so feinjustiert, dass sich die Ausbreitungsverläufe an die Artverteilungen nach 1980 annähern.

Weiterhin soll ein Maßstabsvergleich für die Validierung von Regeln durchgeführt werden. Darin wird die Habitatmodellierung für ausreichend abundante Arten in einem ca. 3400 Km² großen Raum im Nordwesten Baden-Württembergs reproduziert – im Rahmen der fernerkundlichen Methodik sollen Sentinel2-Daten verwendet werden.

Die Ergebnisse werden abschließend in Form eines Softwaretools präsentiert, in dem sich Habitateignungskarten für auswählbare Emissionsszenarien und Prognosehorizonte sowie Verbreitungswege und deren zeitliche Dimensionen anzeigen lassen.

Entscheidungsträgern aus Naturschutz, Forstwirtschaft oder anderen betroffenen Arbeitsbereichen soll so die Möglichkeit gegeben werden, Monitoringmaßnahmen effektiver durchzuführen und der Ausbreitung invasiver Pflanzenarten präventiv entgegen zu wirken.

AZ: 20018/580

Zeitraum

01.01.2019 - 31.03.2022

Institut

Universität Leipzig Institut für Geographie AG Geoinformatik und Fernerkundung

Betreuer

Prof. Dr. Michael Vohland