Auswertung der Potenziale von Flexibilität durch das neuartige Modell
Die zunehmende Besorgnis über den Klimawandel und die Verbesserungen der erneuerbaren Energietechnologien führen zum raschen Ausbau der Photovoltaik (PV) und Windkraftanlagen in Deutschland und weltweit. Diese wetterabhängige fluktuierende erneuerbare Energie (fEE) ist im Sinne der Nachhaltigkeit im Vorteil gegenüber den fossil befeuerten Kraftwerken, in Bezug auf ihre Systemdienlichkeit jedoch im Nachteil. Zur Gewährleistung der Energiebilanz dienen systemdienliche Maßnahmen, wie z.B. der massive Ausbau der Stromnetze, die Abregelung der EE während Zeiten mit niedriger Nachfrage oder die Notbereitschaft flexibler Gaskraftwerke. Sie erfordern aber hohe Investitionen und Ressourcen für den Ausbau. Eine alternative Maßnahme ist die Nutzung der Flexibilität auf der dezentralen Ebene des Energiesystems. Flexibilität bezeichnet u.a. den Einsatz von Lastmanagement, Energiespeichern oder steuerbarer Erzeugung.
Flexibilitätsoptionen, vor allem die des Lastmanagements, stammen aus diversen Prozessen und hängen von spezifischen Bedingungen individueller Endnutzer ab. Zudem könnte deren Nutzung die Kosten für Endnutzer erhöhen. Daher ist eine quantitative und vergleichbare Potenzialauswertung notwendig. Aus technischer Sicht sind diese Potenziale von erheblichem Ausmaß und deren systemweite Erschließung kann die Gesamtkosten sowie die Brennstoffabhängigkeit der Energiesysteme reduzieren. Das Ziel dieser Promotion ist es, die Untersuchung und die Nutzung der Flexibilitätspotenziale in dezentralen Energiesystemen voranzubringen und beinhaltet folgende Aufgaben: Entwicklung eines generischen Modells zur Charakterisierung und Bewertung von Flexibilitätsoptionen und deren Potenzialen, Auswertung der erneuerbaren Energie- und Flexibilitätspotenziale anhand exemplarischer Endnutzer und die Analyse der Vermarktung in einer lokalen Kooperation. Die untersuchte Fallstudie besteht aus einem Industriebetrieb, einem Gewerbegebiet und verschiedenen Wohnsiedlungen.
Die folgenden Punkte sind die zentralen Ergebnisse der Promotion.
Verschiedene Flexibilitätspotenziale lassen sich anhand des in der Promotion entwickelten generischen Prozessmodells untersuchen. Die Nutzung des Modells reduziert die Aufwände der Entwicklung eines spezifischen Modells, das nur für einen bestimmten Prozess geeignet ist. Die Investition in Flexibilitätspotenziale ist besonders von Vorteil für Endnutzer mit fEE-Potenzialen, weil beide Potenziale sich gut ergänzen lassen. Für einen Industriebetrieb wird gezeigt, dass die optimale PV-Kapazität mit einem intelligenten Produktionsmanagement um 12% und mit eigener Wasserstofferzeugung um 28% mehr steigt. Der Flexibilitätseinsatz in Anlehnung an Preise auf einem Strommarkt, e.g., Reduzierung der Nachfrage in Zeiten mit hohen Preisen, führt zu reduzierten Stromkosten. Indirekte Wirkungen dabei sind reduzierte Emissionen, Vermeidung der Netzengpässe und erhöhte fEE-Nutzung.
Ähnliches wie bei fEE-Potenzialen sind Flexibilitätspotenziale dezentral, zeitabhängig und räumlich aufgeteilt. Manche flexiblen Prozesse werden von Endnutzern direkt kontrolliert und deren Betrieb wird vom Primärziel der jeweiligen Endnutzer bestimmt. Daher ist die Koordination eine der Herausforderungen bei der Potenzialerschließung. Energieversorger und/oder Netzbetreiber können die Energiebeschaffungspreise bzw. Netzentgelte in einem Stromtarif gestalten, um Anreize für systemdienliches Verhalten zu schaffen oder systemgefährdenden Verbrauch entsprechend zu bestrafen. In diesem Mechanismus reagieren Endnutzer freiwillig ohne externe Koordination. In dezentralisierten Energiesystemen lässt sich die Potenzialnutzung auch von einer lokalen Kooperation koordinieren. Verschiedene Teilnehmer wie Haushalte mit PV und steuerbaren Geräten in der Kooperation können ihre Kosten sowie Gewinne miteinander teilen. Dies kreiert Anreize lokale fEE zu nutzen und wenig Strom aus dem nationalen Netz zu importieren.