Promotionsstipendium: Dr. Martin Schmidt

Umweltschonende Membranfilter: Entwicklung einer bio-katalytisch aktiven Polymermembran zur Vermeidung chemischer Reinigungsschritte

Umweltschonende, bio-katalytisch aktive Membranfilter zur Vermeidung chemischer Reinigungsschritte

Wasser ist die womöglich wichtigste Verbindung für jegliches Leben, und zugleich so stark bedroht wie nie zuvor. Dürren und Verschmutzungen sind bereits heute ernste globale Probleme. Nachhaltige Wege, um die Verfügbarkeit als auch die Qualität von Wasser sicherzustellen, werden seit Jahrzehnten zunehmend erforscht und entwickelt. Eine der vielversprechendsten Methoden ist hierbei die Membrantechnologie. Poröse Polymermembranen lassen sich hinsichtlich ihrer Porengröße äußerst variabel und zugleich homogen herstellen. Dadurch ergeben sich einmalige Materialien, die zur Abtrennung verschiedenster Wasserinhaltsstoffe unterschiedlicher Größe eingesetzt werden können. Neben der Wasseraufbereitung finden sich Membranen auch in lebensnotwendigen medizinischen Anwendungen, in innovativen Ansätzen zur Rohstoffverarbeitung, oder in modernen Energiegewinnungstechniken. All diese Beispiele erfordern maßgeschneiderte Materialien, welche auf die komplexen Filtrationsgemische angepasst sind.

Dieses Projekt beschreibt eine strahlenchemische Methode zur Oberflächenfunktionalisierung von Polymermembranen mit Biomolekülen. Die Anbindung ausgewählter Modellsubstanzen wie den kleinen Biomolekülen Glycin und Taurin als auch von Biomakromolekülen wie Proteinen und Enzymen wurde untersucht. Mikrofiltrationsmembranen bestehend aus Polyvinylidenfluorid wurden mit einer wässrigen Lösung der Substanzen imprägniert und in einem Schritt mit hochenergetischen Elektronen bestrahlt. Die Bestrahlung führt zur Aktivierung des Polymers und der Biomoleküle, indessen Folge es zur kovalenten Anbindung kommt. Entscheidend ist die Radiolyse von Wasser, die zur Bildung hochreaktiver Spezies wie OH- und H-Radikalen, sowie solvatisierten Elektronen führt. Diese reagieren unmittelbar mit den gelösten Verbindungen, primär unter H-Abstraktion oder Addition, wodurch radikalische Intermediate gebildet werden. Außerdem führt die Elektronenbestrahlung zur Bildung von radikalischen Stellen am Polymer, die durch Reaktionen der Wasserradiolyseprodukte mit der Polymeroberfläche zusätzlich angereichert werden. Rekombinationen der Radikale im Bereich der Oberfläche führen schließlich zur Ausbildung einer stabilen, kovalenten Immobilisierung der Biomoleküle an die Polymermembran.

Im Gegensatz zu bestehenden Arbeiten wurde in diesem Projekt die Anbindung von nicht-vinylischen und damit meist weniger reaktiven Substanzen durchgeführt. Zur Abgrenzung dieser Methode wurde daher eine neue Terminologie vorgeschlagen: radiation-induced graft immobilization (RIGI). Die Reaktionsparameter für die Immobilisierung des Modellproteins Rinderserumalbumin wurden systematisch mit der statistischen Versuchsplanung (Design of Experiments) untersucht und optimiert. Es wurde gezeigt, dass die Proteinkonzentration, die Imprägnierzeit und die Bestrahlungsdosis signifikante Faktoren zur Erzielung einer erfolgreichen Anbindung mit hohen Beladungen sind. Es wurden Thesen aufgestellt, um diese Beobachtungen zu erklären. Die Ergebnisse wurden bei der Anbindung eines Enzyms (Lipase) bestätigt. Die abgeleiteten mathematischen Modelle wurden für eine Materialoptimierung herangezogen. Sowohl für die Protein- als auch für die Enzymimmobilisierung konnten exzellente Beladungen bzw. Aktivitäten erreicht werden, was mit der Entwicklung biokatalytisch aktiver Membranen zum Abbau von Olivenöl demonstriert wurde. Die bioinspirierten Materialien wiesen eine lipolytische Selbstreinigungsfähigkeit auf und konnten ihre verschmutzte Oberfläche vollständig regenerieren.

Im Rahmen dieses Projekts konnte gezeigt werden, dass die Immobilisierung von Biomolekülen an Polymeroberflächen mittels Elektronenbestrahlung hocheffizient durchführbar ist. Vorteile dieser Methode sind die schnellen Reaktionen, die eine kontinuierliche Betriebsweise ermöglicht. Neben Kosteneffizienz ist die Umweltfreundlichkeit des Ansatzes ein weiterer Vorteil. Es werden keine Kopplungsreagenzien oder reaktiven Vinylmonomere, keine organischen Lösungsmittel, und keine Additive, Katalysatoren oder Initiatoren benötigt. Damit ist dieses Verfahren bestens für die Entwicklung von Materialien in biomedizinischen, lebensmitteltechnischen, oder wasserreinigenden Anwendungen geeignet, die höchsten Qualitätsansprüchen unterliegen. Die Anbindung von Proteinen und Enzymen ermöglicht die Entwicklung bioaktiver Polymermaterialien, die eine große Bedeutung in modernen und nachhaltigen Produktkonzepten besitzen.

AZ: 20018/547

Zeitraum

01.07.2018 - 30.09.2021

Institut

Universität Leipzig Fakultät für Chemie und Mineralogie Institut für Technische Chemie

Betreuer

Prof. Dr. Roger Gläser