Entwicklung einer dynamischen Fluid-Zelle für in situ Labor-NEXAFS-Untersuchungen von Umweltproben
Die NEXAFS-Spektroskopie ist eine röntgenanalytische Methode, die auf der Anregung
kernnaher Elektronen und damit verbundenen Übergängen in höhere, unbesetzte Orbitale
bzw. in das Kontinuum basiert. Sie erlaubt Aussagen über elektronische Zustände,
Bindungsformen, Oxidationsstufen und Ligandeneffekte untersuchter Elemente und
Verbindungen. Im Gegensatz zu anderen Methoden (z.B. Raman- oder FTIR-Spektroskopie) ist die spektroskopische Erfassung nicht an das Vorhandensein bestimmter funktioneller Gruppen, Moleküleigenschaften oder eine strukturierte, repetitive Fernordnung gebunden. Sie besitzt zudem eine hohe Sensitivität gegenüber leichten Veränderungen von elektronischen Zuständen, erfasst in geringen Konzentrationen enthaltene Elemente und ermöglicht die Untersuchung von analytisch teils schwer zugänglichen Nanomaterialien und adsorbierten Phasen. Die NEXAFS-Spektroskopie erlaubt somit Aussagen und Einsichten, die mit anderen spektroskopischen Methoden nicht möglich sind.
Bisher ist die Durchführung von NEXAFS-Messungen an Synchrotronstrahlenquellen
gebunden und daher für Anwender nur beschränkt zugänglich. Aus technischen Gründen sind zeitaufgelöste in situ-Experimente und die Untersuchung von Fluiden an Synchrotronen nur sehr eingeschränkt umsetzbar. Daher markiert die Analyse nicht-ausgasender Festphasen den aktuellen Standard für NEXAFS-Untersuchungen. In umweltrelevanten Technologien und umweltbezogener Grundlagenforschung zeichnet sich jedoch ein zunehmender Bedarf an der NEXAFS-Untersuchung von Fluiden und von in situ-NEXAFS-Experimenten ab.
Im Rahmen des Promotionsvorhabens soll aus diesem Grund eine Fluid-Zelle für
zeitaufgelöste in situ-Untersuchungen entwickelt werden. Diese wird in eine bereits
bestehende Labor-NEXAFS-Apparatur integriert, die in den vergangenen Jahren im Laser-
Laboratorium Göttingen e.V. aufgebaut und in diversen Anwendungen validiert wurde. Das
kompakte NEXAFS-Spektrometer deckt den Photon-Energiebereich von 60-1000 eV ab und ermöglicht die Erfassung zahlreicher, umweltrelevanter Elemente (C, N, O, Mn, Fe, …).
Die Entwicklung und Anwendung der Fluid-Zelle liefert damit einen direkten inhaltlichen
Beitrag zu umweltentlastenden Technologien bzw. zur umweltwissenschaftlichen
Grundlagenforschung. Umweltrelevante Anwendungen bzw. ihre Proben haben neben den
spezifischen Eigenschaften und Anforderungen eine hohe Komplexität und beschränkte
Aufbereitungsmöglichkeiten durch organische Systemkomponenten gemeinsam. Daher soll die geplante Fluid-Zelle bewusst in verschiedenen fachübergreifenden Kooperationen und interdisziplinären Fragestellungen eingesetzt werden. Neben dem wissenschaftlichen Beitrag zu umweltspezifischen Entwicklungen und Forschungsthemen fließen unterschiedliche Anforderungen sowie ein variierendes Versuchsdesign so in die Entwicklung und Implementierung der Fluid-Zelle ein. Dadurch wird der zeitnahe Zugang zu dieser Methode gewährleistet.
Die Anwendung der Fluid-Zelle ist in drei Kooperationen vorgesehen: Im Bereich regenerativer Energietechnologien (Solar Fuel-Produktion) soll eine innovative, hämatitbasierte Halbleiter-Photoanode in Struktur-Funktions-Untersuchungen hinsichtlich der elektronischen Struktur und chemischen Reaktionen des enthaltenen Eisens analysiert werden. In der Untersuchung des Verhaltens und der Eignung modifizierter, kohlenstoffbasierter Nanomaterialien als alternative Katalysatoren wird außerdem die Kohlenstoffchemie einbezogen. Darüber hinaus
ist die Anwendung der Fluid-Zelle in der Bodenchemie zur Aufklärung von Redoxprozessen und Komplexierungsvorgängen von Eisen- und Manganoxiden geplant, um einen Beitrag zurAbklärung von Stoffumlagerungen in Böden zu leisten.
Die Entwicklung einer Fluid-Zelle für zeitaufgelöste in situ-NEXAFS-Spektroskopie in
Laboranwendungen eröffnet neue Perspektiven in der chemischen Analytik und macht diese spektroskopische Methode für die Anwendung in zahlreichen umweltrelevanten und
fachübergreifenden Fragestellungen zugänglich.