Der ästhetische Wert von Vögeln – die Erfassung einer soziokulturellen Ökosystemdienstleistung
Vor dem Hintergrund zunehmender Beanspruchungen des Menschen an die Natur und damit einhergehender Zielkonflikte hat sich das Konzept der Ökosystemdienstleistungen im Laufe der letzten drei Jahrzehnte als Grundprinzip in der umweltschutzfachlichen Debatte etabliert. Die Bedeutung der Natur für den Menschen wird hierbei über ihre Versinnbildlichung als Dienstleister definiert und sämtliche vom Menschen direkt oder indirekt nutzbaren Naturgüter und -funktionen als so genannte Ökosystemdienstleistungen (ÖSD) verstanden. Dabei werden der Natur direkt entnehmbare Produkte wie Nahrungsmittel oder Holz als bereitstellende, und prozessbasierte Leistungen wie Kohlenstofffixierung oder Erosionsschutz als regulatorische ÖSD bezeichnet. Unter soziokulturellen ÖSD versteht man hingegen immaterielle Naturgüter, die zur Erholung, Bildung oder Identifikation des Menschen mit der Umwelt beitragen. Aufgrund des kontextabhängigen Charakters von soziokulturellen ÖSD konnten diese bisher nur auf kleiner Skala erfasst werden. Für die Erstellung von überregionalen Managementplänen ist eine Berücksichtigung aller Arten von ÖSD unabdingbar.
Ich liefere mit dem hier vorgelegten Promotionsthema zum ersten Mal einen globalen Erfassungsansatz für eine soziokulturelle ÖSD, wobei ich den ästhetischen Wert von Vögeln untersuchen werde. Vögel sind eine der beliebtesten Tiergruppen gerade für Feldbeobachtungen überhaupt, wodurch dementsprechend anderswo unerreicht umfangreiche Datensätze vorliegen. Anhand der Datenabdeckung eines deutschlandweiten Citizen-Science-Projekts werde ich zunächst ermitteln, welche genauen Merkmale von Vögeln ausschlaggebend für deren Attraktivität auf den Menschen sind. Dazu werde ich u.a. die Farbgebung und die Gesangscharakteristika von Vögeln anhand bild- und tonverarbeitender Methoden beschreiben. Im Anschluss daran untersuche ich mittels globaler Verbreitungsdaten, inwiefern Gradienten und Hotspots hinsichtlich der Ausprägung dieser Merkmale bestehen. Abschließend werden diese Merkmale zur Erklärung von Ungleichgewichten zwischen attraktiven und unattraktiven Arten in Bezug auf deren Thematisierung in Öffentlichkeit, Naturschutz und Wissenschaft herangezogen.
Viele Vogelarten sind in Deutschland im Rückgang begriffen, und der Erhaltungszustand der im Rahmen der EU-Vogelschutz- und Flora-Fauna-Habitatrichtlinie eingerichteten Schutzgebiete ist vielfach mangelhaft. Dem kann durch ein gestärktes Umweltbewusstsein und daraus resultierender Zahlungsbereitschaft entgegengewirkt werden. Mein Ansatz erlaubt einen emotionsbasierten Zugang zum Verständnis von Natur und Biodiversität und soll eine teilweise Neuausrichtung der umweltbildnerischen Arbeit von Naturschutzorganisationen und Nationalparks motivieren, wobei der ästhetische Wert von Arten vermehrt Anwendung in der Wissenskommunikation finden soll. Durch den letzten Teil meiner Arbeit soll über das Aufzeigen bestehender Ungleichheiten bei der Prioritätensetzung im Naturschutz und der Wissenschaft eine koordiniertere und notwendigkeitsbasiertere Verteilung von finanziellen Ressourcen angestoßen werden, wodurch sich viele naturschutzfachliche Problemstellungen effektiver lösen ließen.