Subletale Wirkungen von Umweltchemikalien auf die Reproduktion einheimischer Flusskrebse
Die Fließ- und Stillgewässer in Deutschland und Europa werden durch anthropogene Einträge zunehmend belastet. Abhängig von der Anwendung unterscheiden sich die Eintragspfade – und damit die möglichen Auswirkungen – verschiedener Stoffgruppen gravierend. So führt die saisonal begrenzte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu kurzzeitigen Eintragsspitzen, wogegen Pharmazeutika und deren Rückstände kontinuierlich über häusliche Abwässer eingetragen werden.
Unter den Pflanzenschutzmitteln ist Terbuthylazin mit ca. 1.000 t pro Jahr eines der meistverwendeten Herbizide im Maisanbau und wird durch die umweltoffene Anwendung über Drainagen und Oberflächenabfluss häufig in hohen Konzentrationen in Gewässer eingebracht. Im Frühjahr werden Konzentrationsmaxima von bis zu 8 µgL‑1 gemessen. Dies entspricht einer Überschreitung des Grund- und Trinkwassergrenzwerts von 0,1 µgL-1 um das 80-fache. Bei den pharmazeutischen Produkten hat das Schmerzmittel Diclofenac in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Durch Maximalkonzentrationen bis zu 29 µgL-1 stellt es eines der wichtigsten Pharmazeutika in Gewässern dar. Unter den nichtsteroidalen Entzündungshemmern ist Diclofenac mit einem Drittel am Marktanteil der meistverkaufte Wirkstoff. Aufgrund von Abwaschungen ist der Stoff, der in Kläranlagen nur in geringem Maß abgebaut werden kann, in der aquatischen Umwelt häufiger zu finden als jedes andere Medikament.
Angesichts der auftretenden Konzentrationen spielen häufig untersuchte akute Effekte der Chemikalien nur eine untergeordnete Rolle, während vor allem subletale Effekte zu Schädigungen wichtiger Arten führen können. Die Flusskrebse, als die größten Wirbellosen unserer Süßwasserökosysteme, mit ihrer Eigenschaft als Schlüsselorganismen stellen hier aus verschiedenen Gründen eine besonders schützenswerte Gruppe dar. Als Omnivore mit einem weiten Beutespektrum wirken sie auf verschiedene trophische Ebenen. Ihre An- oder Abwesenheit führt – ebenso wie eine Veränderung in der Bestandsdichte – zu Verschiebungen in der Artenzusammensetzung, in der Qualität aquatischer Umgebungen und in den Strukturen biologischer Gemeinschaften. Der Erhalt dieser Tiere ist somit von größtem ökologischen Interesse.
Bei den Flusskrebsen ist die Reproduktion eine besonders empfindliche Phase im Lebenszyklus. Die Eier der Tiere werden bereits im August in den Weibchen angelegt, bevor sie zwischen September und November ausgestoßen und befruchtet werden. Die weitere Entwicklung unter dem Hinterleib der Weibchen dauert weitere 6 bis 8 Monate. Diese Fortpflanzungsstrategie führt dazu, dass die Eier über einen sehr langen Zeitraum (schädlichen) Umwelteinflüssen ausgesetzt sind.
Ausgehend von den Ergebnissen meiner Masterarbeit, die bereits Hinweise auf die Effekte von Umweltchemikalien auf die Reproduktion von Flusskrebsen lieferte, sollen toxikologische Versuche zur Reproduktion von Edelkrebsen durchgeführt werden. Dazu sollen folgende Parameter betrachtet werden: Histologische Untersuchungen der fortpflanzungsrelevanten Gewebe (Spermien, Eier), Untersuchung des Reproduktionserfolges (Entwicklungszeit und Entwicklungsstadien), Einfluss der Chemikalien auf die Ausbildung von Geschlechtszellen und den Einfluss der Chemikalien auf nachkommende Generationen.
Zusätzlich sollen Freilandversuche durchgeführt werden mit dem Ziel, die Auswirkungen vorhandener Chemikalien auf die Eientwicklung von Flusskrebsen unter realen Bedingungen im Freiland zu ermitteln.
Ich erwarte, dass mein Promotionsvorhaben Erkenntnisse über die Bedeutung der ausgewählten Umweltchemikalien auf die Reproduktion der vom Aussterben bedrohten, einheimischen Flusskrebse liefert. Diese Erkenntnisse können neben einer stärkeren Berücksichtigung subletaler Auswirkungen bei der Bewertung von Umweltchemikalien auch der Erarbeitung von Konzepten dienen, die den Zustand der Lebensgemeinschaften unserer Oberflächengewässer verbessern.