Neue Methoden für das Risikomanagement des Buchdruckers (Ips typographus L. 1758)
Das Management des 1990 gegründeten Nationalparks Sächsische Schweiz soll ab 2030 für die Mehrheit der Schutzgebietsfläche (75 % nach IUCN) auf den Prozessschutz ausgerichtet werden. Aufgrund der künstlichen fichtendominierten Waldbestockung ist dann jedoch mit einer Massenvermehrung des Buchdruckers (Ips typographus L.) zu rechnen, wie es im Nationalpark Bayerischer Wald geschehen ist. Um dort das Risiko der Ausweitung des Massenbefalls auf die umgebenden Waldgebiete zu minimieren, wurde ein Waldschutzstreifen von 500 m Breite (Pflege- & Entwicklungszone) eingerichtet. Ein solcher Schutzstreifen kann im NLP Sächsische Schweiz jedoch nicht umgesetzt werden, da aufgrund der Zweiteilung des Nationalparks in diesem Fall weniger als 75 % der Fläche für den Prozessschutz zur Verfügung stehen würde. Eine Anlage der Pufferflächen außerhalb des Nationalparks und damit in Waldgebieten ohne Prozessschutzziel bedarf eines umfassenden Risikomanagements mit präziser Prädispositionsprädiktion und situationsbedingten Handlungsempfehlungen, um die jeweiligen Zielstellungen (z.B. Erosionsschutz oder Wirtschaftswald) zu gewährleisten.
Für ein solches Risikomanagement, bietet sich die Verwendung modellbasierter Prognosewerkzeuge an. Bisher wird dafür das Prädispositionsabschätzsystem (PAS) von der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz verwendet, das basierend auf Daten zu Bestockung, Topologie und Klima Gefährdungspläne entwirft. Bei diesem System bleibt jedoch die Dynamik der Ausbreitung und des Befalls des Buchdruckers vollständig unberücksichtigt. Diese Dynamik kann mit dem individuenbasierten Modell IPS (Infestation Pattern Simulation) räumlich und zeitlich explizit abgebildet werden. Eine Verschmelzung beider Modellansätze (GIS-Einbindung und Parametrisierung in IPS nach PAS-Annahmen) wäre deshalb für eine Risikoschätzung auf kleiner Skala (max. 600 ha) geeigneter. Für die Extrapolation der Ergebnisse auf die gesamte Nationalparkregion wäre ein so genanntes Metamodell-basiertes Upscaling nötig, für das sich die Verwendung z.B. eines künstlichen neuronalen Netzes anbietet. Die Eignung dieses Modellansatzes für die Vorhersage des Borkenkäferbefalls auf regionaler Ebene konnte in einer Pilotstudie (Noack & Kalch, 2012; unveröffentlicht) gezeigt werden. Ein solches Metamodell lernt die zugrundeliegenden Zusammenhänge (z.B. zwischen der aktuellen Bestockung und dem Befallsaufkommen) und kann diese für das gesamte Schutzgebiet mit minimalem Rechenaufwand anwenden. Als Ergebnis können Gefährdungspläne ermittelt werden, die die aktuelle Situation sowie die zukünftig zu erwartenden Zustände (z.B. Änderung der mittleren Temperatur durch Klimawandel oder Verringerung des Fichtenanteils der den Nationalpark umgebenden Waldgebiete durch Waldumbau) berücksichtigt. Ein quantitativer Test von Managementmaßnahmen in der Pufferzone des Nationalparks und darüber hinaus ist mit der Verbindung von Metamodell und Individuen-basierter Modellierung für verschiedene Szenarien möglich, sodass Handlungsempfehlungen entwickelt werden können.
Mit der Entwicklung eines solchen modellbasierten Werkzeugs soll trotz Klimawandels die mögliche Erhaltung der Waldfunktionen sowie der Nachhaltigkeitsaspekte (ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit) der den Nationalpark umgebenden Waldgebiete geprüft und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, so dass unabhängig vom Auftreten einer Borkenkäfergradation die Umsetzung der naturschutzfachlichen Zielstellung des Nationalparks ohne Gefährdung anderer Waldgebiete gewährleistet werden kann. Die im Rahmen dieses Projektes entwickelten Werkzeuge können zukünftig auch an andere großflächige Schutzgebiete wie dem Nationalpark Schwarzwald oder an Naturwaldparzellen wie z.B. die durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt betreute Naturerbefläche Hartmannsdorfer Forst (Zwickau, Sachsen) angepasst werden und verstehen sich deshalb als generische Werkzeuge zur Unterstützung der Planung und Optimierung von Schutzmaßnahmen gegen den Borkenkäferbefall in den an prozessorientierten Schutzgebieten angrenzenden Waldgebieten.