Promotionsstipendium: Dr. Fabian Zimmer

Hydroelektrische Projektionen: Imaginationen, Öffentlichkeiten und audiovisuelle Medien der Wasserkraft im Europa des 20. Jahrhunderts

Kulturen der Wasserkraft im Gebrauchsfilm

In den 1950er-Jahren kommt es in ganz Europa zu einer bemerkenswerten Zusammenarbeit: Staudämme und Wasserkraftwerke von zuvor nicht gekanntem Ausmaß verwandeln Gebirgstäler und Flussläufe in hydroelektrische Landschaften; gleichzeitig halten Filmemacher, meist im Auftrag der Bau- oder Betreiberunternehmen, diese Verwandlung in unzähligen Filmen fest. Diese Wasserkraftfilme dokumentieren nicht nur einen drastischen Landschaftswandel am Beginn der ‚Great Acceleration‘ (Will Steffen), die aktuell als Epochenschwelle des Anthropozäns debattiert wird. Sie kommentieren und inszenieren auch diese Verwandlung und stellen so eine hervorragende Quelle zur Analyse gesellschaftlicher Imaginationen des Verhältnisses von Natur, Technik und Gesellschaft in einer Zeit des Umbruchs dar.

Ab den 1950er-Jahren wurde die Elektrizitätsgewinnung aus Wasserkraft mit zunehmendem Protest zu einer öffentlichen und umstrittenen Technologie. Die öffentliche visuelle Kultur der Wasserkraft, zu der neben den Wasserkraftfilmen etwa auch Fotografien, Kraftwerksmodelle oder die Inszenierungen von Eröffnungsfeiern gehören, ist somit mehr als bloß schmückendes Beiwerk. Sie muss als Symptom und Bestandteil der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen über den ästhetischen und moralischen Wert von Landschaften betrachtet werden, die landschaftsverändernde Großtechnologien wie die Wasserkraft im gesamten 20. Jahrhundert begleiten.

Um mich diesen Auseinandersetzungen zu nähern untersuche ich die Wasserkraftfilme also als Gebrauchsfilme, die erst im Kontext bestimmter Debatten und bestimmter Aufführungspraktiken Bedeutung entfalteten. Ich frage somit einerseits danach, für welche Öffentlichkeiten diese Filme produziert wurden und welche Öffentlichkeiten sie wiederum produzierten. Andererseits frage ich nach der Prägekraft der Filme in den Debatten um den Wasserkraftausbau: Welche Imaginationen von Natur, Technik und Gesellschaft propagierten die Filme und wie wurde die Verwandlung von Landschaften damit gedeutet? Ziel meiner Arbeit ist es, insbesondere Ambivalenzen und Widersprüche in der Rhetorik der Filme und den sie umgebenden Auseinandersetzungen sichtbar zu machen. So soll ein differenzierteres Bild der kulturellen Wahrnehmung von Modernisierungsprozessen entstehen, das einen Reflexionsraum auch für heutige Positionen zu landschaftsverändernden Großtechnologien eröffnet.

AZ: 20017/476

Zeitraum

01.07.2017 - 30.06.2020

Institut

Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik

Betreuer

Prof. Dr. Helmuth Trischler