Promotionsstipendium: Dr. Alexander Weinhart

Nachweis anthropogener Klimaeinflüsse in Schnee und Firn der Ostantarktis: Charakterisierung von Niedrigakkumulationsgebieten mittels Multiparameteranalyse aus Schnee- und Firnkernen

Nachweis anthropogener Klimaeinflüsse in Schnee und Firn der Ostantarktis

Die Antarktis ist ein elementarer Bestandteil des globalen Klimasystems. Einerseits sind die Eismassen der Antarktis ein einzigartiges Klimaarchiv, das sich über Jahrtausende stetig aufgebaut hat. Analysen von stabilen Wasserisotopen (δ18O und δ2H) und Aerosolen (u.a. Ionen aus Meersalz und biogenen Emissionen), die als indirekte Anzeiger des Klimas in Eiskernen („Klimaproxies“) dienen, machen Rekonstruktionen der Klimahistorie möglich. Durch Gaseinschüsse im Eis kann sogar die Paläoatmosphäre direkt untersucht werden. Andererseits ist die Antarktis stark vom globalen Klimawandel betroffen. Steigende Temperaturen sorgen für flächendeckenden Massenverlust der Westantarktis und regionale Massenverluste der Ostantarktis. Der antarktische Eisschild kann bei vollständigem Abschmelzen zu einer Erhöhung des globalen Meeresspiegels um ca. 60 m beitragen.Zu beiden Forschungsaspekten der Glaziologie – dem Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft – liefert diese Arbeit wichtige Erkenntnisse. Insbesondere aus logistisch schwer zugänglichen Gebieten wie dem ostantarktischen Plateau, gibt es bisher nur wenige Felddaten. Diese sind aber sowohl für die Untersuchung der Signalbildung von Klimaproxies als auch zur Validierung von Ergebnissen aus (satellitengestützter) Fernerkundung unerlässlich.

Das ostantarktische Plateau erstreckt sich von 20°W bis 45°O auf einer Höhe über 2000 m NN. Im antarktischen Sommer 2016/17 wurden dort auf einer Traverse zwischen der Kohnen Station (0° 4’O, 75° 0’S) und der verlassenen Plateau Station (40° 33’O, 79° 15’S) Schneekerne beprobt. Mittels Röntgen-Computertomographie wurden die Dichte und stratigraphische Eigenschaften des Schnees bestimmt. Danach wurden die Kerne unter Reinraumbedingungen bei -18°C in 1 cm oder 2 cm Auflösung in einzelne Proben geschnitten, wofür im Rahmen dieser Studie ein spezielles Gerät entwickelt wurde. Die Einzelproben wurden auf stabile Wasserisotope sowie auf anorganische Ionen analysiert. Dieser Ansatz der Multiparameteranalyse erlaubt es, verschiedene Einzelparameter kombiniert zu betrachten und somit die Historie der Schneedecke besser nachzuvollziehen.     Mehrere Schneekerne pro Probenahmeort lassen eine repräsentativere Ermittlung der untersuchten Parameter zu. Die kleinräumige Variabilität, die durch stratigraphisches Rauschen oder postdepositionale Prozesse verursacht wird, kann dadurch herausgefiltert werden.

Die Dichte von Oberflächenschnee wird als Parameter benötigt, um die durch Satelliten gemessene Höhenänderung der Eisschilde in eine Massenbilanz umzurechnen. Aufgrund fehlender großflächiger Daten wird diese Dichte häufig modelliert. Durch das Beprobungskonzept kann eine repräsentative Oberflächenschneedichte mit einem relativen Fehler von weniger als 1,5% an jedem Probenahmeort ermittelt werden. Entlang der Traversenroute beträgt die mittlere Oberflächenschneedichte 355 kg m-3 und zeigt eine geringere Abhängigkeit von der Temperatur und Akkumulationsrate als angenommen. Die modellierten Werte weisen eine deutliche Diskrepanz von ca. -10% zu der gemessenen Dichte auf. Eine vereinfachte Kalkulation zeigt, dass durch die modellierte Schneedichte das Massenbudget der Firnsäule auf dem ostantarktischen Plateau um 3% unterschätzt wird. Parametrisierungen der Oberflächenschneedichte können mit den präsentierten Daten angepasst werden und somit die Genauigkeit der Massenbilanz der Ostantarktis verbessern.

Krusten in polarem Schnee sind ein stratigraphisches Detail, das beispielsweise zur Charakterisierung der Umweltbedingungen in entlegenen Regionen der Eisschilde genutzt wird. Im Rahmen dieser Arbeit wird der erste Datensatz zur räumlichen Verteilung von Krusten in polarem Schnee vorgestellt – nicht nur mit Daten vom ostantarktischen Plateau, sondern auch aus Grönland. Entgegen der Annahme, mehr Krusten an Orten mit geringerer Akkumulationsrate zu finden, nimmt die Gesamtzahl der Krusten pro Meter mit sinkender Akkumulationsrate ab. Die Ergebnisse deuten einen linearen Zusammenhang zwischen der Anzahl an Krusten und der logarithmischen Akkumulationsrate an. Eine Nutzung von Krusten zur saisonalen Datierung ist ebenfalls möglich. Sie können als stratigraphisches Element unterstützend zur Datierung mit chemischen Proxies herangezogen werden. Die Auswirkungen von Krusten auf Rückstreueigenschaften in der Fernerkundung und auf die Ventilation der Firnsäule könnten Themen künftiger Forschung sein.        Eine exemplarische, kombinierte Untersuchung aus stratigraphischen und chemischen Eigenschaften der Schneedecke lässt eine Rekonstruktion des kontinuierlichen Aufbaus einer Düne durch Driftschnee zu. Ob die chemische Signatur für diese Depositionsart charakteristisch ist, muss aber mit weiteren Daten noch belegt werden.

Messungen von δ18O und δ2H können durch ihre direkte Beziehung zur Temperatur des Niederschlags zur Rekonstruktion des Paläoklimas von saisonalen bis tausendjährigen Zeitskalen genutzt werden. Doch auf kurzen Zeitskalen erschweren mechanische (u.a. Umlagerung durch Winde) und physikalische Prozesse (u.a. Sublimation und Diffusion) an der Oberfläche, insbesondere in Gebieten mit geringer Akkumulationsrate, die zeitliche Zuordnung der gemessenen Signale. Ein Anstieg des Deuterium-Exzesses über die obersten cm in der Mehrzahl der untersuchten Schneekerne lässt auf einen starken Sublimationseffekt schließen. Deshalb zeigen Proben über größere Tiefenintervalle stärkere Korrelation mit der Temperatur und der geographischen Höhe. Zyklen in δ18O lassen sich rund um die Kohnen Station noch als saisonale Signale interpretieren, unter einer Akkumulationsrate von50 kg m-2a-1 jedoch sind sie von postdepositioneller Diffusion überprägt und demzufolge nicht mehr zur Datierung der Schneedecke auf kurzen Zeitskalen geeignet.    Ein Vergleich mit dem atmosphärischen Zirkulationsmodell ECHAM6-wiso validiert den Trend von δ18O des Modells entlang der Traverse, zeigt aber einen konstanten Offset. Modellierte Schneeprofile mit den Niederschlagswerten aus ECHAM6-wiso und einem Diffusionsmodell stellen die gemessenen Profile in der Tiefe 1-2 m gut dar. Von der Oberfläche bis 1 m Tiefe aber scheinen Umlagerung und Sublimation das δ18O Signal (postdepositionell) wesentlich zu beeinflussen. Diese Prozesse müssen in der Zukunft noch weiter quantifiziert werden, um die Interpretation von stabilen Wasserisotopen als Proxy für die Temperatur zu verbessern.

Auf der einen Seite kann die Veränderung der Oberflächenschneedichte zwischen Proben aus dem Jahr 2005/06 und Proben dieser Studie auf unterschiedliche Volumenfehler bei der Probenahme zurückgeführt werden und nicht auf eine Veränderung der klimatischen Bedingungen. Auf der anderen Seite zeigen Mittelwerte von δ18O über die letzten Dekaden eine Tendenz zu steigenden δ18O (und damit eine steigende Temperatur) auf dem ostantarktischen Plateau. Diese Werte liegen zwar innerhalb der Schwankungsbreite der natürlichen Variabilität, können aber erste Anzeichen dafür sein, dass Klimaproxies im Schnee des ostantarktischen Plateaus den globalen Temperaturanstieg bereits aufgezeichnet haben.

AZ: 20016/469

Zeitraum

01.12.2016 - 30.11.2019

Institut

Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

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Betreuer

Prof. Dr. Olaf Eisen