Promotionsstipendium: Dr. Nils Stanik

Anpassungsfähigkeit von Pflanzenarten montaner Borstgrasrasen an den Klimawandel und an Landnutzungsveränderungen

Anpassungsfähigkeit montaner Pflanzenarten des Berggrünlands an Klimawandel und Intensivierung

„Artenreiche montane Borstgrasrasen“ und ihre charakteristische Pflanzenart Arnika (Arnica montana L.) sind zwei naturschutzfachlich wertvolle Elemente des extensiv genutzten, artenreichen Berggrünlands in deutschen Mittelgebirgsregionen. Im Zuge des Klimawandels besteht in diesen Regionen für den Lebensraum und die Art jedoch kaum Ausweichpotenzial in höhere Lagen, weshalb negative Klimawandelauswirkungen (u. a. durch Hitze- und Trockenereignisse im Frühjahr und Sommer) möglichst durch Anpassungen am aktuellen Standort bzw. eine hohe Resilienz des Ökosystems kompensiert werden müssten. Inwieweit sich jedoch Pflanzenarten des Berggrünlands im Rahmen ihrer innerartlichen Diversität – im Sinne einer adaptiven Plastizität und Variabilität – und die Grünlandvegetation als Gesamtheit an solche Veränderungen anpassen können, ist weitgehend ungeklärt. In der vorliegenden kumulativen Dissertation wurden zum einen Reaktionen und Anpassungspotenziale von Arnika mittels sensitiv reagierender Funktionsmerkmale (plant functional traits) an Auswirkungen des Klimawandels und zum anderen die Einflüsse von Klimawandel-induzierter Trockenheit auf die Pflanzengesellschaft der Borstgrasrasen untersucht.

In Kapitel 1 werden Ergebnisse zu der Frage dargestellt, ob und in welchem Maße Arnika entlang eines rezenten Klimagradienten der Sommeraridität – ausgehend von Populationen der Tieflagen mit hoher bis in die der Hochlagen mit geringer Sommeraridität – Performanz- und Variabilitätsveränderungen von fitnessrelevanten Funktionsmerkmalen zeigt und ob diese Reaktionen auch durch das Managementregime beeinflusst werden. Es zeigte sich, dass adulte Individuen von Arnika das Potenzial zur plastischen Veränderung vieler fitnessrelevanter Funktionsmerkmale besitzen und sich diese Veränderungen weitestgehend auf die Veränderung der Sommeraridität zurückführen lassen. Einen deutlich untergeordneten Einfluss auf die veränderte Performanz und Variabilität der untersuchten Funktionsmerkmale besitzen das Managementregime sowie ergänzend getestete Vegetations- und Bodenparameter. Kapitel 2 beleuchtet die Einflüsse von Trockenstress auf den Wuchs und das Überleben von Arnika-Keimlingen im Zeitraum der kritischen Phase der Jungpflanzenetablierungs, um im gleichen Zuge potenziell geeignete Funktionsmerkmale als Frühwarnindikatoren für den Fitnessverlust der Art zu identifizieren. Arnika-Keimlinge reagierten in den meisten Funktionsmerkmalen mit einem deutlichen Performanzverlust gegenüber erhöhter Trockenheit. Auch die Überlebenswahrscheinlichkeit der Keimlinge und Anzeichen von Seneszenz wurden signifikant durch das Trockenheitsniveau beeinflusst. Auf Grundlage der identifizierten Reaktionen, war es möglich besonders sensitiv reagierende Funktionsmerkmale (u.a. eine geringe Blattlänge und -breite sowie eine reduzierte Blattanzahl) als Frühwarnindikatoren für den Performanzverlust von Arnika zu bestimmen. In Kapitel 3 werden die Effekte von extremer Trockenheit auf die Diversität und Artenzusammensetzung artenreicher Borstgrasrasen untersucht. Die Ergebnisse des Freilandexperiments zeigten, dass sich in Folge der zum Teil extremen Trockenheit signifikante Veränderungen in der Abundanz von Arten und Vegetationsstrukturen ergeben. Diese Veränderungen wurden dabei maßgeblich durch das hohe natürliche Trockenheitsniveau im Experimentzeitraum als durch die zusätzliche experimentelle Niederschlagsreduktion ausgelöst und traten erst zeitlich verzögert in den Folgejahren nach den Trockenheitsphasen auf.

Die Ergebnisse zeigen, dass Auswirkungen der untersuchten Klimawandelfaktoren signifikante Reaktionen von Arnika und des Ökosystems Borstgrasrasen auslösen. Arnika besitzt demnach sowohl als Keimling als auch als adulte Pflanze das Potenzial, sich mittels adaptiver Veränderungen fitness-relevanter Funktionsmerkmale an durch den Klimawandel veränderte Umweltbedingungen anzupassen und so für sie nachteilige Wuchsbedingungen zu kompensieren. Jedoch bedeuten diese Reaktionen einen Performanzrückgang, der sich langfristig nachteilig auf die Fitness der Individuen und darauf aufbauend ihrer Populationen auswirken kann. Die festgestellte Kurzzeit-Resilienz von Borstgrasrasen korrespondiert zum einen mit ihrer gleichlautenden gutachterlich eingeschätzten Klimawandelsensitivität und sollte zum anderen nicht zu einem beschleunigten Rückgang dieses Berggrünlandtyps in den nächsten Jahren führen. Es wäre somit Aufgabe des Naturschutzes und der Landschaftspflege, diesen festgestellten Veränderungen und Beeinträchtigungen prospektiv durch geeignete, die Effekte und Auswirkungen des Klimawandels beachtende Maßnahmen entgegenzuwirken. Insgesamt können die Erkenntnisse aus dieser Arbeit dazu beitragen, geeignete Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln, um auch unter zukünftigen Bedingungen des Klimawandels Arnika und Borstgrasrasen zu erhalten.

AZ: 20016/464

Zeitraum

01.01.2017 - 31.12.2019

Institut

Universität Kassel FG Landschafts- und Vegetationsökologie

Betreuer

Prof. Dr. Gert Rosenthal