Biogene Emissionen und urbane Luftqualität
Die Erdatmosphäre ist ein komplexes Umweltkompartiment, in dem eine Vielzahl an physikalischen und chemischen Prozessen abläuft, die unseren Lebensraum direkt und indirekt beeinflussen. Auf Grund der Komplexität ist deshalb das Gesamtsystem nur sehr schwer zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Troposphäre und der in ihr stattfindenden Rückkopplungen zwischen Transportprozessen, Biosphäre und Atmosphärenchemie, welche die Luftqualität beeinflussen. Eine große Herausforderung stellt der urbane Raum dar. Hier treten vermehrt Wechselwirkungen zwischen anthropogenen und biogenen Emissionen auf, welche allerdings noch weitestgehend unbekannt sind. In dem hier beschriebenen Promotionsvorhaben sollen mit 3D-Modellstudien die Wechselwirkungen zwischen Biosphäre, Gasen und Partikeln analysiert und deren Einfluss auf die urbane Luftqualität untersucht werden. Dabei wird speziell auf die Auswirkungen biogener flüchtiger Kohlenwasserstoffe (BVOCs) in Verbindung mit unterschiedlichen Landnutzungen auf das Oxidationsvermögen, die Akkumulation von Schadstoffen und Partikeln und die Ein- und Ausmischungsvorgänge in der urbanen Grenzschicht, sowie den anthropogenen Einfluss auf deren Produktion und Abbau im urbanen Raum fokussiert. Hierzu werden verschiedene Szenarien mit einer urbanen Version des gekoppelten Chemietransportmodells COSMO-MUSCAT simuliert.
BVOCs werden durch Pflanzen emittiert und durch O3, OH und NO3-Radikale oxidiert. Bei der Reaktion werden sekundäres organisches Aerosol (SOA) und weitere Reaktionsprodukte gebildet, zu denen unter hohen NOx-Bedingungen auch Ozon gehört. SOA macht einen wesentlichen Bestandteil der Feinstaubkonzentration (PM2.5) aus. BVOCs beeinflussen nachhaltig die Luftqualität, welche sich auf die Gesundheit des Menschen und das Ökosystem auswirkt. Außerdem haben sie eine Klimarelevanz. Sie bilden Partikel und beeinflussen die Konzentration der Treibhausgase CO2, Methan und O3 und haben daher einen Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Erde.
Die BVOC-Emission ist von den Umweltbedingungen (Temperatur, Strahlung, Biomasse), und der Landnutzung abhängig. Um die durch BVOCs induzierte Evolution von Partikeln und Spurengasen in der Atmosphäre zu verstehen, ist eine möglichst gute Vorhersage mit Luftqualitäts- und Klimamodellen unabdingbar. Die Vielzahl von sich gegenseitig beeinflussenden Interaktionen führt dazu, dass ein einfaches Ursache-Wirkung-Prinzip oft nicht abgeleitet werden kann. Für eine genaue Abschätzung der Effekte einzelner Parameter sind Modellstudien daher unentbehrlich.
Immer mehr Menschen leben in Städten, in denen es insbesondere durch hohe NOx-Emissionen zu hohen Schadstoffbelastungen (PM2.5, Ozon) kommt, an denen BVOCs wesentlich beteiligt sind. Daher soll eine urbane Version von COSMO-MUSCAT genutzt werden, um ausgewählte Szenarien mit relativ hohen Schadstoffbelastungen im Raum Leipzig zu modellieren. Für die Analyse wird eine hierarchische Gitterstruktur von der europäischen bis zur urbanen Skala mit horizontalen Auflösungen von bis zu 350m im Stadtgebiet verwendet, der Chemiemechanismus schrittweise ausgebaut sowie der Einfluss unterschiedlicher Landnutzungen und Verkehrsemissionen für Leipzig und das Umland untersucht. Die Modellergebnisse werden durch Messdaten verifiziert. Anschließend werden Sensitivitätsstudien durchgeführt. Um die Rückkopplungen zwischen Transportprozessen, Biosphäre und Atmosphärenchemie quantifizieren zu können, werden die Modellergebnisse hinsichtlich der physikochemischen Eigenschaften des Aerosols und der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre, insbesondere der Schadstoffkonzentrationen (Ozon, NOx, PM2.5), sowie des Oxidationsvermögens analysiert. Abschließende Studien werden Möglichkeiten zur Minderung der Schadstoffbelastung durch geänderte Landschaftsplanungen untersuchen, die sich insbesondere in anthropogen beeinflussten Regionen positiv auf die urbane Luftqualität und das lokale Klima auswirken können.