Gewinnung von Evidenzen aus der Erforschung des indigenen Konzepts „Sumak Kawsay“
Die Dekade fu?r die Bildung fu?r Nachhaltige Entwicklung hat bis 2015 wesentliche Ergebnisse in zahlreichen Projekten konkretisiert und in der Roadmap eine Fortsetzung gefunden (UNESCO Roadmap, 2015). Bereits Scheunpflug (2001) merkte an, dass sich die Bildung fu?r Nachhaltigkeit in pädagogischer Hinsicht auf Bildungskonzepte auf der Basis entwicklungs- und umweltpädagogischer Erkenntnisse konzentrieren muss. Diese im Unterricht zu implementieren stellt eine Herausforderung vor allem fu?r das Unterrichtsfach Biologie dar. Im Hinblick auf das Problem des weltweiten zunehmenden Biodiversitätsverlustes ist es bedeutsam, die hinter dem Verlust stehenden globalen Zusammenhänge zu erkennen und die eigene Rolle in diesem komplexen Gefu?ge positionieren zu können. In diesem Kontext mu?ssen Schu?ler(innen) lernen, mit faktisch und ethisch komplexen Gestaltungsaufgaben wie der Erhaltung der Biodiversität umgehen zu können (Barkmann & Bögeholz, 2003). Hierzu bietet es sich an, eine Untersuchung zu realisieren, die dem nachhaltigen Umgang mit Biodiversität in megadiversen Ländern auf den Grund geht. Diesbezu?glich ru?ckt das su?damerikanische Land Ecuador in den Fokus meiner Forschungen.
Unter dem im Jahr 2006 gewählten Präsidenten Raffael Correa wurde in Ecuador eine Verfassungsreform eingeleitet, die 2008 in der Verabschiedung einer neuen Verfassung mu?ndete. Im Prozess der Verfassungsreform wurden drei Konzepte eine besondere Bedeutung zuteil: darunter das indigene Konzept des Sumak Kawsay. Dieses dient als ideologische Basis für das sogenannte buen vivir (=das gute Leben), ein in die neue ecuadorianische Verfassung integriertes zentrales Prinzip zur nachhaltigen Lebensführung. Seit diesem Zeitpunkt ist das buen vivir ein „geflu?geltes Wort“, welches auch im deutschen Diskurs um Nachhaltigkeit Einzug gefunden hat. Dabei kommt es jedoch zu einem Fehlverständnis hinsichtlich der urspru?nglichen Gedanken hinter buen vivir. Der Idee einer ganzheitlichen Lebensweise, die sowohl die Rechte der Natur garantiert, wurde im Zuge der Politisierung fehlerhaft interpretiert und implementiert. Grund sind primär wirtschaftliche Einflu?sse, die mit Aspekten der Enthaltsamkeit zum Wohle der Gesellschaft und Natur nicht vereinbar sind. Dies fu?hrt unweigerlich zu Umsetzungsschwierigkeiten hinsichtlich der urspru?nglichen Idee einer nachhaltigen Lebensweise nach indigenen Vorstellungen (SENPLADES, 2013).
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Umsetzung dieses indigenen Konzeptes in ein entwicklungspolitisches Programm, den urspru?nglichen Ideen und Vorstellungen der indigenen Bevölkerung im Hinblick auf die Erhaltung der Biodiversität gerecht werden kann. Diesbezu?glich ist es sinnvoll das Konzept des Sumak Kawsay näher zu betrachten, damit es nicht zu Fehlinterpretationen kommt und Evidenzen fu?r den nachhaltigen Umgang mit Biodiversität im Unterricht gewonnen werden können. Diese sollen in ein Umweltbildungskonzept für die Bildung für Nachhaltige Entwicklung einfließen.
Fortschritt:
Bereits im ersten Förderjahr konnte für die Umsetzung und Erprobung des Zielvorhabens eine Projektschule in Bremen, die Wilhelm-Kaisen-Oberschule, gewonnen werden. In Kooperation mit dieser werden die Unterrichtsinterventionen weiterentwickelt, erprobt und evaluiert. Dazu wurde ein Lehrerteam, bestehend aus vier Lehrerinnen und Lehrern, gegründet, in dessen Rahmen die Umsetzung der Unterrichtskonzeption im Rahmen von Interviews diskutiert wurde. Sowohl die Interviews mit den Schülerinnen und Schülern (12 InterviewpartnerInnen) als auch mit den Lehrerinnen und Lehrern liegen ausgewertet vor.
Die Evaluation des Unterrichtskonzeptes baut auf der so genannten Value-Belief-Norm-Theory von Stern auf.
Die Erhebung der Daten erfolgt über die Methode „mixed-methods“, d.h. dass die Daten über Interviews (qualitativ) und über Fragebögen (quantitativ) erhoben werden. Dazu wurden Interviewleitfäden sowie drei verschiedene Pretests zu den Schwerpunkten Einstellung, Werte und Fachwissen konzipiert. In einem an die 3 Module anschließenden Posttest werden Daten zu allen drei Schwerpunkten erhoben. Der qualitativen Evaluation in Form von Interviews kommt im Gegensatz zu den Fragebögen eine bedeutendere Rolle zu, da sie Antworten zum Inhalt und zur Wirkung der Unterrichtskonzeption liefern soll.
Darüberhinaus wurde die Konzeption mit insgesamt 20 Schülerinnen und Schülern in Ecuador im Rahmen einer „Summer School“ erprobt. Dazu wurde mit 4 Schülerinnen und Schüler, Interviews durchgeführt. Des Weiteren liegen Ergebnisse einer quantitativen Evaluation von 18 ecuadorianischen Schülerinnen und Schülern vor.
Für die Verbreitung des Unterrichtskonzeptes konnte die Stiftung BMC (Big Mammals Conservation) gewonnen werden, die die Unterrichtskonzeption in den Ländern Ecuador, Kolumbien und Peru umsetzen und weitere Daten liefern wird. Hierzu haben sich im Rahmen der Forschungsreise, Gespräche mit Experten ergeben, in denen vereinbart wurde, eine Verbesserung der Unterrichtskonzeption anzstreben. In diesem Zusammenhang wird des weiteren eine Homepage entwickelt, die dem Austausch von Unterrichtsmaterialien und Daten dienen soll. Diese ist gerade in Erstellung.