Entwicklung neuer Biokatalysatoren zur seitenselektiven Halogenierung
Entwicklung neuer Biokatalysatoren zur seitenselektiven Halogenierung
Die Halogenierung aromatischer Verbindungen ist eine fundamentale Reaktion der organischen Chemie. Halogen-substituierte Aryl- und Heteroarylverbindungen sind außerordentlich wertvolle Grundbausteine, sowie wichtige strukturelle Motive vieler Naturstoffe, Materialien, Agrochemikalien, Arzneistoffe etc. Die Ausbildung von Csp²-Halogen-Bindungen wird konventioneller Weise durch elektrophile aromatische Substitution (SEAr) mit gefährlichen Reagenzien wie molekularem Chlor oder Brom durchgeführt. Der wesentliche Nachteil dieser Methoden besteht in der Limitierung der zugänglichen Substitutionsmuster. Aufgrund der generell sehr niedrigen Chemo- und Regioselektivität von Halogenierungsreaktionen wird eine Vielzahl von isomeren Produkten generiert, sodass oft mühsame, Zeit-intensive und folglich teure Aufreinigungs- und Trennmethoden notwendig sind. Obwohl diese Art der Umsetzung deutliche Nachteile mit sich bringt, wird diese Methode in der organischen Synthese dennoch mangels effektiver Alternativen fast ausschließlich genutzt. Enzyme hingegen vermögen diese regiospezifische Halogenierung hoch effizient zu bewerkstelligen, wie beispielsweise die Flavin-abhängige Halogenase RebH zeigt, welche ein Chloratom selektiv an C-7 in Indole einbringt. Der große Nutzen von RebH wurde kürzlich durch die Produktion von 7-Chlorindol im Gramm-Maßstab demonstriert. Hierbei kamen biotechnologische Varianten von RebH zum Einsatz.
Das Forschungsprojekt dient dem Ziel, die Lücke in der katalytischen, regioselektiven Ausbildung von Kohlenstoff-Halogen-Bindungen durch Ausnutzen der bislang wenig erforschten, wertvollen Fundgrube von Halogenierungsenzymen zu schließen. Im Rahmen dieses Dissertationsvorhabens wurde eine neuartige Vanadium-abhängige Haloperoxidase (VHPO), welche im Genom der Cyanobakterien-Spezies Acaryochloris (AmVHPO) kodiert ist, identifiziert und in E. coli produziert. Das neuartige Enzym wurde in Hinblick auf Halogenierungspotential, sowie Substrat- und Reaktionsbreite untersucht. Ausgehend von diesem Wildtyp-Biokatalysator sollen zukünftig Varianten des Enzyms mit optimierter Stabilität, Reaktivität und Selektivität durch zielgerichtete Evolution entwickelt werden. Das Wildtypenzym wurde in der Halogenierung von strukturell einfachen Bausteinen wie z.B. Phenol oder Indol wie auch komplexerer Substrate untersucht. Von Beginn an wurde dieses Projekt von strukturbiologischen Untersuchungen begleitet. In enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe um Prof. M. Groll (TU München) wurden Struktur-Aktivitäts- sowie -Selektivitäts-Beziehungen der AmVHPO näher untersucht, um die strukturelle Anordnung im aktiven Zentrum zu bestimmen, welche für Substrat- und Regioselektivität maßgeblich ist. Diese Erkenntnisse werden zu einer zielgerichteten Optimierung unserer Biokatalysatoren im Speziellen und zu einem besseren Einblick in enzymatische Halogenierungen im Allgemeinen beitragen. Überdies wurde die enzymatische Halogenierung mit photokatalytischer in situ Generierung des benötigten Oxidationsmittels H2O2 in einem photobiokatalytischen Ansatz mit atomökonomischen Elektronendonoren kombiniert (Kooperationsprojekt mit der Arbeitsgruppe um Prof. B. König, Universität Regensburg). Durch einen Vergleich der AmVHPO mit anderen VHPOs aus Steptomyceten, die faszinierende selektive Halogenierungsreaktionen in dem Biosyntheseweg der Merochlorine katalysieren (Kooperationsprojekt mit der Arbeitsgruppe um Prof. B. S. Moore, Scripps Institution of Oceanography, UC San Diego) konnten weitere wertvolle Einblicke in die VHPO-Katalyse und Determinanten für Selektivität gewonnen werden.
Dieser interdisziplinäre Ansatz lieferte somit einen wichtige Grundlage für einen nachhaltigen Zugang zu wichtigen halogenierten Bausteinen und eröffnete neue Wege für eine milde, sichere, umweltschonende und effizientere Synthese halogenierter (Hetero)Aryle.