Haftungsregelungen und Kostenverteilung bei der Netzanbindung von Windenergieanlagen auf See
Die rechtzeitige und zuverlässige Netzanbindung stellte von Anfang an einen besonderen Risikofaktor beim Ausbau der Offshore-Windenergie dar. Für Windenergieanlagen in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone gilt dies in besonderer Weise. Denn sie liegen aus Rücksicht auf Naturschutzbelange, Schifffahrt und Fischerei wesentlich weiter von der Küste entfernt als die Windparks europäischer Nachbarstaaten. Da verlässliche, investitionsfördernde Netzanbindungsregeln somit eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau der Offshore-Windenergie sind, sind sie zugleich von zentraler Bedeutung für das Gelingen der Energiewende: Da auf Nord- und Ostsee ein stetiger Wind weht, können die Windenergieanlagen dort kontinuierlich Strom produzieren und sind so besser als andere erneuerbare Energien auch geeignet, Atom- und Kohlekraftwerke zu ersetzen.
Anfangs hemmten Unsicherheiten bei der Netzanbindung die Investitionsbereitschaft in Offshore-Windparks. Das Risiko, dass die Anlagen mangels Einspeisemöglichkeit nicht refinanziert werden könnten, lähmte den Offshore-Ausbau. Der Gesetzgeber hat deshalb Ende 2012 mit §§ 17a ff. Energiewirtschaftsgesetz den Versuch unternommen, dieses Investitionshemmnis einerseits durch veränderte planungsrechtliche Regelungen, andererseits durch spezielle Haftungsnormen und neue Bestimmungen zur Kostentragung zu überwinden. Diese Haftungs- und Kostenverteilungsregelungen stehen im Zentrum meines Dissertationsvorhabens.
Die Arbeit untersucht im ersten, einführenden Teil Funktionsweise, Zweck und Risiken der Haftungsregelung. Sie wird auf diese Weise zeigen, dass die Haftungsregelung nicht in erster Linie einen Kompensationszweck erfüllt, sondern als Ersatz für die EEG-Vergütung eine Förderregelung mit Steuerungsziel darstellt. Da an der Abwicklung der Regelung eine Vielzahl von Akteuren beteiligt sind (Windpark, anbindungsverpflichteter Übertragungsnetzbetreiber, übrige Übertragungsnetzbetreiber, Bundesnetzagentur), die teilweise selbst Begünstigte des Mittelflusses sind, drohen außerdem Interessenkonflikte und Intransparenz. Daraus folgt, das die Regelung überwachungsbedürftig ist.
Der zweite Teil der Arbeit wird deshalb mit Hilfe einer Prinzipal-Agent-Betrachtung einen genaueren Blick auf die Interessenkonflikte und Überwachungsprobleme zwischen den Akteuren werfen. Ziel ist, die Regelung systematisch zu analysieren und Schwachstellen aufzuzeigen. Die Arbeit thematisiert hier außerdem Zweifel an der rechtlichen Tragfähigkeit des bisherigen Überwachungssystems (Drohung mit einem energiewirtschaftsrechtlichen Missbrauchsverfahren nach § 30 EnWG).
Auf Grundlage der Analyseergebnisse wird die Arbeit im dritten Teil anschließend Lösungsmöglichkeiten erarbeiten, beispielsweise funktionsfähige Überwachungsmechanismen vorschlagen. Sie wird auch den Rechtsrahmen für rechtliche Änderungen abstecken.
Da der Ausbau der Offshore-Windenergie inzwischen Fahrt aufnimmt und erste Praxiserfahrungen mit den §§ 17a ff. EnWG existieren, kann die Arbeit gerade jetzt dabei helfen, bei der Förderung dieser erneuerbaren Technologie die richtigen Weichen zu stellen und ein möglichst wirksames, möglichst konfliktarmes Netzanbindungsregime zu errichten.