Promotionsstipendium: Nora Baberschke

Experimentelle Untersuchung der Effekte verschiedener Kalisalzkonzentrationen und Ionenkompositionen auf die Stress- und Immunantwort bei Plötzen (Rutilus rutilus) zur Evaluation physiologischer Beeinträchtigungen durch Abwässer der Kaliindustrie

Einfluss von Kaliabwässern auf die Stress- und Immunantwort bei Plötzen (Rutilus rutilus)

Aquatische Organismen sind einer Vielzahl von Stressoren ausgesetzt, die natürlichen oder anthropogenen Ursprungs sein können. Ein aktuelles ökologisches Problem stellen die Abwässer der Kaliindustrie dar, die hohe Konzentrationen an Ionen enthalten. Sie entstehen bei der Förderung und Verarbeitung von Kalisalzen und ein Großteil der Abwässer wird zur Entsorgung in Gewässer, wie das Werra-Fulda-Weser-Flusssystem geleitet. Eine Folge der Versalzung der Werra ist ein großer Verlust an Diversität und Abundanz lokal angesiedelter Organismen. Es wurde außerdem eine Abnahme der Fischabundanz und -biomasse und eine erhöhte Erkrankungsrate der Fische dokumentiert. Gegenwärtig sind 2500 mg/l Cl-, 340 mg/l Mg2+ und 200 mg/l K+ und eine Wasserhärte von 90° dH in Deutschland zulässig. Es ist bekannt, dass erhöhte Konzentrationen und vor allem ein Missverhältnis (Imbalanzen) an Ionen die Fähigkeit zur Osmoregulation und weitere physiologische Funktionen in Süßwasserorganismen beeinträchtigen können. Jedoch existieren keine wissenschaftliche Daten über die akuten und chronischen physiologischen Effekte dieser Abwässer auf heimische Fische.

Um diese Fragen zu klären, sollte die Stress- und Immunantwort und osmoregulative Kapazität adulter Individuen sowie Effekte auf die Nachkommenschaft für eine in Deutschland heimische und repräsentative Fischart, der Plötze (Rutilus rutilus L.), in Laborversuchen untersucht werden. Es sollte erstens festgestellt werden, welche Effekte verschiedene subletale Kalisalzkonzentrationen (entsprechend der heutigen und zukünftigen Grenzwerte der drei Ionen) auf die Stress- und Immunantwort und die osmoregulative Kapazität haben. Zweitens sollten durch den Einsatz verschiedener Ionenlösungen (je mit erhöhten Konzentrationen an K+, Mg2+ sowie K+ und Mg2+ in Kombination), kausale Ionenverhältnisse bestimmt werden. Die Versuche umfassten vier verschiedene Expositionszeiträume von 24 Stunden, 7 Tagen, 21 Tagen und 8 Wochen. Des Weiteren sollten die Effekte dieser Ionenlösungen auf die Spermienmotilität von Flussbarsch und Plötze sowie Befruchtungserfolg, Schlupf und frühe Entwicklungsstadien der Plötze untersucht werden. 

Es konnte nachgewiesen werden, dass durch fast alle Expositionsgruppen eine transiente Stressantwort in den Adulten induziert wurde, die unter anderem durch akute erhöhte Cortisol- und Glukosekonzentrationen charakterisiert war. Des Weiteren zeigten sich transiente osmoregulative Störungen, eine chronische Erhöhung des Sulfatgehalts des Blutplasmas mit unbekannten Langzeitfolgen sowie moderate Veränderungen des Kiemenepithels der Plötze, die möglicherweise mit einer Verschlechterung des Gasaustauschs einhergehen. Die Summe der Ionen (wie in den Expositionsgruppen der heutigen und zukünftigen Grenzwerte und der Kombination von K+ und Mg2+) führte zu stärkeren Effekten als die Einzelionen. 

Bei der Untersuchung der Effekte auf die Nachkommenschaft der Plötze konnten deutlich stärkere negative Effekte nachgewiesen werden. Dazu gehörten ein verändertes Schwimmverhalten der Flussbarsch-Spermien sowie vergrößerte Eidurchmesser, verfrühter Schlupf und eine erhöhte Deformations- und Mortalitätsrate von Embryonen und Larven der Plötze.  

Es ist eindeutig, dass die verschiedenen Lebensstadien der Plötze unterschiedlich sensitiv auf die hohen Konzentrationen und Imbalanzen von Ionen reagieren. Obwohl keine der Ionenlösungen eine akute Toxizität bei adulten Fischen erzeugte, ist nicht klar, welche Effekte unter natürlichen Bedingungen in Kombination mit anderen Stressoren hervorgerufen werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Rückgang der Art in der Werra zumindest zum Teil durch eine gestörte frühe Entwicklung verursacht wird.

Aufgrund dieser Erkenntnisse und der offensichtlichen ökologischen Auswirkungen, die in der Werra beschrieben wurden, ist eine Anpassung der Einleiterlaubnis der Abwässer dringend zu empfehlen, um eine Gefährdung der dort lebenden Organismen auszuschließen.

AZ: 20014/330

Zeitraum

01.01.2015 - 30.11.2020

Institut

Humboldt-Universität zu Berlin
Biologie
Endokrinologie

Betreuer

Prof. Dr. Werner Kloas