Protein-Bioengineering pflanzlicher Polyphenoloxidasen (PPOs)
Effizienter, wirtschaftlicher, nachhaltiger- das sind nur einige der Gründe dafür, dass immer mehr rein chemische industrielle Verfahren durch den Einsatz sogenannter Biokatalysatoren ersetzt werden. Während einer kürzlich in unserer Arbeitsgruppe durchgeführten Doktorarbeit zu Struktur-Funktions-Beziehungen von Löwenzahn-Polyphenoloxidasen (PPOs) gelang M. Dirks-Hofmeister die Identifizierung und Isolierung von elf PPO-Isoenzymen aus dem Gewöhnlichen Löwenzahn. Bei PPOs (EC 1.10.3.1) handelt es sich um Kupfer-haltige Oxidoreduktasen, die mit Hilfe von molekularem Sauerstoff die Oxidation von ortho-Diphenolen zu den entsprechenden ortho-Chinonen katalysieren. Während reiner Sauerstoff in chemischen Prozessen auf Grund seiner sehr hohen Reaktivität ein großes Risiko darstellt, sind oxidative Enzyme von Natur aus darauf spezialisiert, Sauerstoff gefahrlos umzusetzen. Neben der Entdeckung, dass verschiedene PPO-Isoenzyme unterschiedliche Substratspektren aufweisen, gelang Dirks-Hofmeister mit der erfolgreichen heterologen Expression der pflanzlichen PPOs in Escherichia coli ein entscheidender Fortschritt im Hinblick auf die industrielle Nutzbarkeit dieser Enzyme.
Durch die Etablierung der Expression von Löwenzahn-PPOs in E. coli eröffnet sich mir jetzt die Möglichkeit, durch Aminosäureaustausche gezielt PPO-Varianten mit definierten Substratspezifitäten für den Einsatz als Biokatalysatoren zu erstellen. Um weitere Anwendungsmöglichkeiten für diese hochinteressanten Enzyme aufzudecken, sollen außerdem mittels eines pull-downs aus Löwenzahn-Extrakten natürliche Substrate der PPOs identifiziert werden.
Zu Beginn des Projekts sollen bioinformatische Sequenzanalysen sowie in silico-Strukturmodellierungen zur Identifizierung von Aminosäuren (AS) führen, die durch ihre 3D-Lage im aktiven Zentrum der PPOs essentiell für Aktivität und Substratspezifität des Enzyms sind. Die identifizierten AS sollen dann mit Hilfe degenerierter Primer in einer Polymerasekettenreaktion gegen eine Auswahl anderer AS ausgetauscht werden. Durch Expression der veränderten PPOs in E. coli entsteht eine sogenannte fokussierte Protein-Bibliothek, die mit Hilfe von Modellsubstraten auf PPO-Aktivität gescreent werden soll. Auf diese Weise entdeckte PPO-Varianten mit neuen Substratspezifitäten sollen aufgereinigt, biochemisch charakterisiert und schließlich für Kinetik-Messungen zur Bestimmung von kcat, KM sowie der katalytischen Effizienz eingesetzt werden. Diese gründliche biochemische Typisierung legt den Grundstein für eine industrielle Nutzung der PPOs mit speziellen Substratspezifitäten als Biokatalysatoren.
Das Substrate-pull–down soll mit Hilfe sogenannter loss-of-function (lof)-PPOs erfolgen, die zwar in der Lage sind, Substrate im aktiven Zentrum zu binden, jedoch nicht, sie umzusetzen. Dazu sollen basierend auf bioinformatischen Analysen AS derart ausgetauscht werden, dass keine Katalyse mehr stattfinden kann, die 3D-Struktur des aktiven Zentrums jedoch unverändert bleibt. Die lof-PPOs sollen mit phenolhaltigen Extrakten aus verschiedenen Löwenzahn-Organen bzw. dem Latex inkubiert werden. Nach der Co-Aufreinigung von lof-Mutanten und gebundenen Substraten müssen die Enzyme denaturiert und aus dem Ansatz entfernt werden, um die „gefischten“ Substrate durch eine reversed phase-Chromatographie aufzutrennen. Die weitere Identifizierung der pflanzlichen PPO-Substrate soll mit Hilfe des Massenspektrometers erfolgen, über das die AG Moerschbacher seit einigen Monaten verfügt. Die neu gewonnenen Substrate sollen zu Kinetik-Messungen sowie in silico–docking-Studien verwendet werden, auf deren Grundlage nach zeitlicher Möglichkeit weitere neue effiziente PPO-Varianten erstellt werden sollen.
Die Entwicklung von PPO-Varianten mit definierten Substratspezifitäten sowie die Ausdehnung der Einsatzmöglichkeiten dieser Biokatalysatoren durch ein erweitertes bekanntes Substratspektrum ist ein weiterer innovativer Schritt auf dem Weg hin zu einer biobasierten Wirtschaft.