Funktionalisierung von Lignin und Umsetzung zu verzweigten und vernetzten, nachhaltigen Polymeren
Der Bedarf an Energie und chemischen Produkten steigt mit wachsender Erdbevölkerung, während die fossilen Ressourcen immer knapper werden. Da die meisten Chemikalien aus petrochemischen Quellen gewonnen werden, ist die Weiterentwicklung alternativer, nachhaltiger Syntheserouten aus nachwachsenden Rohstoffen mit verbesserten Eigenschaften der Produkte von großem Interesse.
Lignin ist als Ausgangsstoff für eine nachhaltige Polymerchemie durch seine Häufigkeit, geringen Preis und biologische Abbaubarkeit besonders vielversprechend. Als Abfall- und Nebenprodukt fällt es in großen Mengen in der Papier- und der Bioraffinerie-Industrie an. Nur etwa 5 % des anfallenden Lignins werden stofflich genutzt, sodass das Potential der komplexen, aromatischen Struktur von Lignin bisher nicht ausgeschöpft wird.
In diesem Promotionsvorhabens wurde eine umweltschonende Funktionalisierung von Organosolvlignin mit organischen Carbonaten entwickelt. Diese Methode kann als „grüne“ Alternative zu der konventionellen Williamsonschen Ethersynthese angesehen werden, in der toxische Alkylhalogenide oder -sulfate zum Einsatz kommen. So wurde zum Beispiel durch Reaktion mit Diallylcarbonat die Allylfunktion erfolgreich in ein Buchenholz-Organosolvlignin eingeführt. Das funktionalisierte Lignin wurde detailliert mittels NMR, IR und Massenspektrometrie untersucht. Es konnte des Weiteren gezeigt werden, dass die Methode auch auf andere Carbonate übertragbar ist und diese neue Methode somit etabliert werden. Das modifizierte Lignin kann als Ausgangsmaterial for weitere Funktionalisierungen dienen oder direkt in der Polymerchemie Einsatz finden. Durch die Allylfunktion kann das Lignin als neues Monomer für Netzwerke eingesetzt werden. Die hohe Reaktivität dieses Produkts bezüglich Quervernetzung wurde mittels Selbstmetathese des allyliertem Lignin bewiesen. Durch die Kreuzmetathese von Pflanzenölen – weitere hochverfügbare nachwachsende Rohstoffe – mit allyliertem Lignin konnten duroplastische Filme erhalten werden. So wurde zum ersten Mal ein Ligninderivat direkt mit unmodifizierten Pflanzenölen umgesetzt. Es stellte sich heraus, dass ein hoher Ligninanteil sowie ein hoher Gehalt ungesättigter Fettsäuren im Pflanzenöl zu einem höheren Elastizitätsmodul und Vernetzungsgrad führte. Die meisten Filme verhielten sich während des Zugversuchs dehnbar. Nur Filme mit einem Ligningehalt über 70% führten zu spröden Materialen. Durch das Ersetzen des konventionellen Lösungsmittels Dichlormethan mit dem „grünen“ Lösungsmittel Dimethylcarbonat konnte die Nachhaltigkeit der Methode erhöht werden. Allerdings wurde dadurch der Quervernetzungsgrad der Filme herabgesetzt.
Als weitere Anwendung von alkyliertem Lignin wurden duroplastische Epoxidharze untersucht. Dafür wurde Organosolvlignin mit Epichlorhydrin unter Anwendung der Williamsonschen Ethersynthese zu einem epoxidiertem Lignin mit einen Epoxidgehalt von 3.2 mmol/g umgesetzt. Bis zu 42 Gewichtsprozent des glycidylierted Lignins konnten in einem konventionellen Epoxidharz mit Bisphenol-A- diglycidylether und Isophorondiamin eingesetzt werden. Durch Aushärtung bei gleichzeitiger dynamischer Differenzkalorimetrie konnte die Reaktionsenthalpie bestimmt werden. Außerdem wurden knochenförmige Proben ausgehärtet, die hinsichtlich ihrer strukturellen Eigenschaften mittels FT-IR, ihrer thermischen Eigenschaften mittels dynamischer Differenzkalorimetrie und thermogravimetrischer Analyse, sowie ihrer mechanischen Eigenschaften mittels Zugversuch und dynamisch- mechanischer Analyse untersucht wurden. Dabei zeigte sich, dass ein Ligningehalt zwischen 8 und 33% zu einer höheren Quervernetzung und damit höherer Glasübergangstemperatur, niedriger Quel- lungsrate in Tetrahydrofuran und erhöhter Steifheit (Elastizitätsmodul) im Vergleich zu Lignin-freiem Duroplast führt. Für einen nachhaltigeren Ansatz wurden verschiedene Epoxidierungsmethoden als Alternativen zu Epichlorhydrin untersucht. Obwohl die Methoden mit den Persäuren meta-Chlorperbenzoesäure und Peressigsäure oder die Enzym- und Übergangsmetall-katalysierten Methoden erfolgreich für die Modellverbindungen Diallyl-, Dicrotyl- und Di-10-undecenylcarbonat angewendet werden konnten, war die Übertragung auf alkyliertes Lignin mit nicht vollständig geklärten Nebenreaktionen verbunden. Eine detaillierte Analyse mittels 1H NMR, 31P NMR, FT-IR und GPC wies auf Oxidation und teilweiser Zersetzung des Lignins unter den angewendeten Bedingungen hin.