Die Kultur der Suffizienz
In meiner in der Soziologie angesiedelten Dissertation will ich explorativ der Frage nachgehen, in welcher Form im deutschsprachigen Raum Nischen einer Alltagskultur der Suffizienz existieren und nach welchen Kriterien sich solche Gegenkulturen differenzieren lassen. Das Feld der Suffizienzkulturen soll in einem Mix aus qualitativen Methoden (Dokumentenanalyse, Literaturreview, inhaltsanalytisch auszuwertende Experteninterviews) und einer standardisierten Onlineumfrage beackert und daraufhin geordnet werden. Anschließend sollen einige theoretische Überlegungen das transformative Potenzial der jeweiligen Typen von Gegenkulturen so sich solche denn bilden lassen reflektieren.
Hintergrund meiner Fragestellung ist die Herleitung der Notwendigkeit (kultureller) Suffizienzstrategien als Ergänzung von (technologischen) Effizienz- und Konsistenzsztrategien, um den Umweltverbrauch der frühindustrialisierten Länder des globalen Nordens auf ein nachhaltiges Niveau zu senken. Obwohl die Problematik soziokulturell bedingter nicht-nachhaltiger Konsummuster und Lebensstile sowie deren Mitursächlichkeit für ökologische und soziale Krisenerscheinungen weithin anerkannt wird, ist die Forschung zu kulturellen Transformationsprozessen im gesamten Nachhaltigkeitsdiskurs erstaunlich unterbelichtet. Um einen Baustein zur Schließung dieser Lücke bemüht sich mein Promotionsprojekt.
Meine forschungsleitende Annahme besteht darin, dass individuelle Entscheidungen und Routinen suffizienzorientierten Handelns am ehesten in einem Umfeld evolvieren, in dem auf entsprechendes Verhalten wohlwollend und nicht ablehnend reagiert wird. Sozial entwickelte Suffizienzbarrieren, die insbesondere in der hegemonialen Wachstums- und Steigerungslogik unserer kulturspezifischen mentalen Infrastrukturen begründet liegen, können folglich in solchermaßen günstigen Umfeldern sukzessive absinken. Trifft diese Hypothese zu, so bilden lokale Initiativen mit wachstums- und konsumkritischem Hintergrund potenzielle Keimzellen einer Gegenkultur der Suffizienz. Im empirischen Teil der Arbeit soll es um eine Bestandsaufnahme und Typisierung der Ausprägungen dieser Suffizienzkulturen gehen, während der theoretische Teil das Potenzial der Gegenkulturen reflektieren soll, einen gesamtgesellschaftlichen Kulturwandel anzustoßen.