Strategieentwicklung in Basisgruppen der deutschen Umweltbewegung
Strategieentwicklung in Basisgruppen der deutschen Umweltbewegung
Soziale Bewegungen engagieren sich für sozialen Wandel und entwickeln Strategien, um ihre Ziele zu erreichen. Der Strategieentwicklungsprozess soll am Beispiel von Basisgruppen der deutschen Umweltbewegung untersucht werden.
Theoretisch stützt sich die Arbeit auf den akteurszentrierten und handlungstheoretischen Ansatz der Political School der Strategieentwicklung, die sich aus der mikropolitischen Organisationssoziologie heraus entwickelt hat. Die innere Struktur der Basisgruppe wird hier als Raum der Machtausübung und Kontingenz beschrieben. Strategien sind das Ergebnis eines gemeinsamen Aushandlungs- und Konstruktionsprozesses, bei dem einzelne Mitglieder ihre Vorstellungen, Interessen und Wünsche durchsetzen möchten und dafür Macht mobilisieren können.
Dieser Ansatz beschreibt wie Strategien zustande kommen, aber nicht, welche Strategie zustande kommt. Um das zu erklären, werden fünf Faktoren aus der Bewegungsforschung identifiziert, die als unabhängige Variablen die Strategie erklären sollen. Dazu gehören: die Ressourcen der Gruppe, die (politischen) Gelegenheitsstrukturen, das Selbstverständnis der Gruppe, die Machtstruktur innerhalb der Gruppe und die Theory of Change, also die Annahme darüber, wie Gesellschaft verändert werden kann.
Mit diesem Forschungsdesign soll die Frage untersucht werden, wie die Faktoren im Strategieprozess zusammenwirken und welche Bedeutung sie jeweils für die konkrete Strategie haben. Dabei werden die Thesen vertreten, dass a) ähnliche Gruppen mit ähnlichen Zielen unterschiedliche Strategien entwickeln, weil sie b) aufgrund der unterschiedlichen Theories of Change an unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionssystemen ansetzen, wobei sich c) innerhalb der Gruppe zentrale Mitglieder häufiger durchsetzen.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage sollen qualitative Fallstudien nach dem most similar case-Design durchgeführt werden. Untersucht werden drei Basisgruppen der deutschen Umweltbewegung, die sich in einem Strategieprozess befinden.
Die akteurszentrierte Untersuchungsperspektive gibt dabei die methodische Herangehensweise vor. Es kann nur analysiert werden, wie sich die verschiedenen Vorstellungen der Mitglieder in dem Strategieprozess durchsetzen, wenn diese bekannt sind. Die fünf unabhängigen Variablen sollen deshalb in leitfadengestützten Einzelinterviews bei allen Mitgliedern der Gruppen erhoben, thematisch codiert und inhaltsanalytisch ausgewertet werden.
Um den Aushandlunsgprozess auf der Gruppenebene zu verstehen, wird die Gruppendiskussion aufgezeichnet und diskursanalytisch ausgewertet. Dann kann analysiert werden, welche unabhängigen Variablen in die Strategie eingehen, und wessen Interpretation dieser Variablen sich durchsetzt. Mithilfe des Process Tracing soll anschließend der Prozess rekonstruiert und die Vergleichbarkeit zwischen den Gruppen hergestellt werden. Damit kann beantwortet werden, so das Ziel der Arbeit, welche Variablen für die Strategie entscheidend waren und wie sich Unterschiede zwischen den Strategien erklären lassen.
Die wissenschaftlichen Neuerungen des Forschungsansatzes bestehen in der Verwendung der mikropolitischen Analyseperspektive für die Untersuchung sozialer Bewegungen sowie in der Berücksichtigung Theory of Change als Einflussvariable auf den Strategieprozess. Damit gelingt es erstens, die Vielfalt der Ansatzpunkte für Strategien sozialer Bewegungen deutlich zu machen und die bisherige Engführung auf das politische System zu überwinden. Zweitens gelingt es, die Entwicklung von Strategien als sozialen Konstruktions- und Aushandlungsprozess zu thematisieren, statt sie lediglich aus den Handlungen oder Erfolgen der sozialen Bewegungen abzuleiten. Drittens kann der Fokus der Bewegungsforschung auf die Meso- und Makro-Ebene, um eine Analyse der Mikro-Ebene und damit des „Inneren“ der Bewegung ergänzt werden.
Die gesellschaftliche Relevanz besteht darin, die unterschiedlichen Veränderungsstrategien zu einer nachhaltigen Gesellschaft aufzuzeigen, vergleichbar und diskutierbar zu machen. Für eine nachhaltige Gesellschaft brauchen wir nicht TINA (There Is No Alternative) sondern TATA (There Are Thousands Of Alternatives).
Um wissenschaftliche Ideen auch Akteuren sozialer Bewegungen zugänglich zu machen, wurden einzelne Ansätze auf der Homepage www.welt-veraendern.org aufgearbeitet und zur Verfügung gestellt.