Promotionsstipendium: Dr. Marcus Hillebrand

Development of a computational consensus model for the in silico prediction of the skin sensitizing potential of organic chemicals in the context of REACH

StSP Chemikalienbewertung: KonsIstenS

Die derzeitige Bewertung von Stoffen unter der europaweit geltenden Chemikaliengesetzgebung REACH findet in einem ethischen Spannungsfeld statt. Einerseits sollen Verbraucher und die Umwelt vor Gefahren geschützt werden, weswegen für alle europäisch vermarkteten Industriechemikalien neben den physiko-chemischen auch ihre toxikologischen Eigenschaften ermittelt werden sollen, was normalerweise im Tierversuch geschieht. Andererseits wurde in REACH ebenfalls festgehalten, dass Alternativmethoden zu Tiertests zur Analyse der verschiedenen toxikologischen Endpunkte ausdrücklich erwünscht sind. In meinem Promotionsprojekt KonsIstenS wird dieses Spannungsfeld aufgegriffen, indem bisheriges Wissen zu einem toxikologischen Endpunkt mit neuartigen computerchemischen Methoden verzahnt wird, um dadurch die Anzahl notwendiger Wirbeltierversuche gemäß dem 3R-Prinzip nach Russel und Birch zu vermindern. Dabei geschieht die Modellentwicklung am Beispiel der Hautsensibilisierung (allergische Reaktionen der Haut), da jene bezüglich ihrer mechanistischen Basis hinreichend beschrieben ist und da sie schon auf dem niedrigsten zu registrierenden Tonnageband (1 Jahrestonne) abgeprüft werden muss, was ihre wichtige Stellung bei der Toxizitätsprüfung verdeutlicht.

Der modeltheoretischen Fokus von KonsIstenS ruht dabei auf der mechanistischen Betrachtung zweier Schlüsselschritte im sogenannten AOP (adverse outcome pathway) der Hautsensibilisierung: erstens der Bioverfügbarkeit in Form der dermalen Resorption und zweitens der Molekülreaktivität organischer Verbindungen gegenüber nukleophilen Gruppen von Hautzellproteinen. Um die Modellierung dieser AOP-Bestandteile zu ermöglichen, soll zunächst eine große Datenbasis zu schon generierten Ergebnisse verschiedener Tier-Testsysteme (Buehler-Test, Guinea Pig Maximisation Test und Local Lymph Node Assay) akquiriert werden, welche im ersten Schritt auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht werden sollen. Darauf folgend soll eine Mustererkennungsanalyse zum zuerst genannten Schlüsselschritt, der dermalen Resorption, durchgeführt werden. Dabei werden anhand von ausgewählten und aus der Molekülstruktur berechenbaren physiko-chemischen Eigenschaften mithilfe multivariater statistischer Verfahren Grenzwerten abgeschätzt, unter- oder oberhalb derer keine Penetration in die tieferen Hautschichten erwartet wird. Der zweite Schlüsselschritt, die Molekülreaktivität, welche als Indikator für den Initialschritt der Sensibilisierung fungiert, soll über die visuelle Ableitung von neuartigen Strukturalarmen (Substrukturelemente, die als Indikatoren für einen bestimmten Effekt dienen) sowie die Durchführung eines automatisierten Read-across (Interpolation aus Daten strukturähnlicher Substanzen) ermittelt werden. Abschließend sollen die Aussagen der entwickelten Modellbestandteile unter Zuhilfenahme entscheidungstheoretischer Ansätze (z.B. Bayes-Statistik) in ein Konsens-Modell zur Ermittlung einer Gesamtprognose integriert werden.

Mit Fertigstellung des Promotionsprojektes soll ein Werkzeug vorliegen, das die Vorhersage des Sensibilisierungspotenzials neuer und alter Umweltchemikalien ermöglicht, das insbesondere auch regulatorisch arbeitende Toxikologen in Behörden und der Industrie anspricht, das gemäß dem 3R-Prinzip zur Einsparung von Tierversuchen führt und das in einem Computerprogramm implementiert für die Öffentlichkeit gebührenfrei bereitgestellt werden soll.

AZ: 20013/267

Zeitraum

01.12.2013 - 30.11.2016

Institut

Technische Universität Bergakademie Freiberg
Institut für Organische Chemie

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Betreuer

Prof. Dr. Gerrit Schüürmann