Funktionelle Eigenschaften, Diversität und Wildverbiss der Verjüngung in Buchenmischwäldern
Buchenwälder haben ihren natürlichen Verbreitungsschwerpunkt in Mitteleuropa, sind aber nur noch auf wenigen Flächen in ihrer natürlichen Dynamik erhalten. Deutschland trägt deshalb eine besondere Verantwortung für den Schutz naturnaher Buchenwälder, welcher u.a. mit der Aufnahme von fünf Buchenwaldgebieten in die Weltnaturerbe-Liste der UNESCO nachgekommen wurde. Weniger Beachtung finden jedoch Laubbaumarten, die in ihrer Verbreitung mit der Buche überlappen und die häufig in Buchenwäldern auftreten, beispielsweise die Edellaubhölzer Ahorn und Esche, sowie Eichen, Ulmen und Wildobstarten. Diese werden vom Wild, insbesondere Reh, Rot- und Damhirsch, im Vergleich zur Buche im Verjüngungsstadium bevorzugt verbissen. Es ist zu vermuten, dass die Mischbaumarten dadurch im Vergleich zur Buche benachteiligt werden, sodass bei den aktuellen Wilddichten langfristig mit einer Entmischung der Baumarten und einer Verschiebung hin zu reinen Buchenbeständen zu rechnen ist. Dies hätte zum einen eine Abnahme der Biodiversität zur Folge, da viele Tier- und Pflanzenarten der Buchenwälder hauptsächlich mit den Mischbaumarten assoziiert sind. Zum anderen besitzen Bestände aus nur einer Baumart ein höheres Ausfallrisiko infolge von Umweltveränderungen als Mischbestände.
Es ist weitgehend unbekannt, welche funktionellen Eigenschaften einerseits die Präferenz des Wildes für die Mischbaumarten hervorrufen und andererseits die Reaktion der Arten auf Verbiss steuern und wie diese Zusammenhänge durch die funktionelle Diversität der Nachbarschaftsarten und der Umwelt modifiziert werden. Ziel des Promotionsvorhabens ist es deshalb, durch empirische Analyse von Felddaten und zusätzliche Experimente unter Verwendung demographischer, morphologischer und physiologischer Merkmale ein Modell zur Vorhersage der Verbissbelastung und -reaktion von Mischbaumarten zu entwickeln.
Die Studie gliedert sich in drei Teilstudien: Den ersten Teil bilden vorhandene detaillierte Kartierungen der Baumartenverjüngung in naturnahen Buchenmischbeständen im Hainich (Thüringen). Sie werden durch eine aktuelle Kartierung der Artenanteile, Wuchshöhen und Verbissbelastung ergänzt. Über den Vergleich der Datensätze und eine statistische Analyse der Zusammenhänge zwischen dem Verbiss der Baumarten, der Verjüngungsnachbarschaft und der Umweltfaktoren (v.a. Lichtintensität) wird ein Modell zur Vorhersage der Verbissbelastung entwickelt. Im zweiten Teil wird ein Experiment zur Untersuchung der Baumartenpräferenzen des Wildes durchgeführt. Dazu werden in einem Phytometeransatz Jungpflanzen diverser Mischbaumarten in Bestände im Hainich mit unterschiedlichen Anteilen an Buchen- bzw. Mischbaumartverjüngung ausgebracht und die Verbissbelastung nach einem und nach zwei Jahren aufgenommen. So können generelle Aussagen gemacht werden zur Präferenz in Abhängigkeit des Nachbarschaftsangebots schmackhafter und nicht-schmackhafter Baumarten. Im dritten Teil, einem Experiment im Arboretum Großpösna bei Leipzig, werden Jungpflanzen diverser Mischbaumarten unter kontrollierten Bedingungen zwei Behandlungen ausgesetzt: zum einen wird Verbiss simuliert (physisch durch Abschneiden des Leittriebs, chemisch durch Auftragen von Rehspeichel), dies wird zum anderen mit verschiedenen Lichtintensitäten (künstliche Beschattung) kombiniert. Vor und nach der Verbisssimulation werden die Inhaltsstoffe der Arten analysiert, sowie nach dem Verbiss die morphologische Reaktion der Baumarten untersucht. Dies soll Aufschluss geben über Kompensationswachstum und Abwehrmechanismen der Baumarten gegenüber Wildverbiss in Abhängigkeit der Lichtverfügbarkeit.
Das Promotionsvorhaben soll aufzeigen, inwiefern Umweltfaktoren und funktionelle Eigenschaften der Baumarten die Fraß-Präferenz von Wild beeinflussen. Zum anderen soll die Studie eine Vorhersage der Verbissbelastung und -reaktion basierend auf funktionellen Arteigenschaften, unabhängig der Artidentität, ermöglichen und so auf verschiedenste Waldökosysteme übertragbar sein.