Erschließung neuer bakterieller ligninolytischer Enzyme
Eine große Herausforderung dieser Zeit stellt die Erschließung erneuerbarer Energie- und Rohstoffquellen dar, da der steigende Energie- und Rohstoffbedarf einer stark wachsenden Weltbevölkerung zukünftig nicht mehr allein über die endlichen fossilen Rohstoffressourcen gedeckt werden kann. Der größte Anteil an Chemiegrundstoffen wie Ethen, Propen, Benzol, Toluol oder Phenol und chemischen Produkten wie Klebstoffen oder Lacken werden bislang überwiegend auf Erdölbasis hergestellt. Eine erneuerbare, kostengünstige und umweltfreundliche Alternative zur petrochemischen Herstellung dieser Produkte stellt deren Gewinnung aus pflanzenbasierten Kohlenhydraten und Ölen dar. Vor dem Hintergrund der Nutzungskonkurrenz um diese Rohstoffe mit der Nahrungs- und Futtermittelindustrie gewinnen lignifizierte Pflanzenroh- und Reststoffe zunehmend an Bedeutung. Während für die Bestandteile Cellulose und Hemicellulose aufgrund ihrer leichten Hydrolysierbarkeit gute Verwertungsmöglichkeiten existieren, gibt es für den sehr beständigen Ligninanteil bisher nur eingeschränkte stoffliche Verwertungsmöglichkeiten. Aus diesem Grund soll im Rahmen dieser Arbeit die stoffliche Nutzung des natürlich vorkommenden Lignin-Makromoleküls und seine biochemische Depolymerisation zu aromatischen Lignin-Oligomeren und Monomeren und deren Funktionalisierung untersucht werden. Hierfür werden neue enzymatische Verfahren mit neuen Enzymen verwendet, da diese im Vergleich zum thermochemischen Lignin-Abbau eine deutlich selektivere und öko-effizientere Depolymerisation erwarten lassen. Zur effizienten enzymatischen Depolymerisation von Lignin und zur Funktionalisierung der erhaltenen Lignin-Bausteine werden thermo- und pH-stabile Biokatalysatoren benötigt.
Die meisten in der Literatur beschriebenen Forschungsarbeiten zum Ligninabbau wurden bislang an Weißfäulepilzen durchgeführt. Bisher steht jedoch kein kommerzielles enzymatisches Verfahren zur Depolymerisation und Funktionalisierung von Lignin zur Verfügung. Hierbei ist es bislang noch nicht gelungen, die ligninolytischen pilzlichen Enzyme wie Mangan- und Lignin-Peroxidasen im industriellen Maßstab ökonomisch herzustellen. Die Herausforderungen sind zum einen die Kultivierung und zum anderen die schwierige gentechnische Modifikation von pilzlicher DNA. Bakterielle ligninmodifizierende Enzyme sind bisher kaum erforscht. Sie sind im Vergleich zu pilzlichen Enzymen weitaus einfacher mit gentechnischen Methoden in etablierten bakteriellen Hochleistungsstämmen zu kultivieren, was die Möglichkeit bietet diese auch industriell herzustellen. Diese Enzyme könnten dann in industriellen Prozessen zur ökoeffizienten Lignin-Depolymerisation und -modifikation verwendet werden. Damit könnte ein wesentlicher Beitrag zur vollständigen stofflichen Nutzung von Lignin geleistet werden. Durch die biochemische Depolymerisation von Lignin und Modifizierung der Ligninbausteine könnten Synthesebausteine für die Erzeugung von Polymeren, Klebstoffen und Lacken hergestellt werden und so erdölbasierte Vorprodukte ersetzen.
In dieser Arbeit werden verschiedene Ansätze zur Identifizierung neuer und Untersuchung potentieller ligninmodifizierender und ligninabbauender Enzyme verfolgt. Zum einen werden die katalytischen Eigenschaften von Dyp-type Peroxidasen untersucht, um deren mögliche Rolle im bakteriellen Ligninabbau aufzuklären. Zudem werden zur Identifizierung von neuen Enzymen Screeningversuche mit Genombanken von ligninolytischen Bakterien durchgeführt und ein metagenomischer Ansatz aus Habitaten wie Kot oder Darminhalt von holzfressenden Käfern verfolgt. Außerdem werden die Genome ligninolytischer Bakterienstämme sequenziert und nach potentiellen ligninabbauenden und ligninmodifizierenden Enzymen durchsucht. Enzyme mit Eignung für einen industriellen Prozess zur Lignindepolymerisation sollen in Hochleistungsstämmen exprimiert und im 30-Liter-Maßstab fermentiert werden, wobei die Raum-Zeit-Ausbeute optimiert werden soll.
Die so gewonnenen Enzyme werden dann für die Ligninmodifikation verwendet und die Abbauprodukte werden abschließend in Zusammenarbeit mit Forschungsgruppen der Fraunhofer-Gesellschaft und der Industrie hinsichtlich ihrer Eignung für die Herstellung von Polymeren, Klebstoffen und Lacken untersucht und anwendungstechnisch charakterisiert.